2.2.3 Hörer und Täter des Wortes (1,19-27)
1,19 Ihr sollt
wissen, meine lieben Brüder: Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam
zum Reden, langsam zum Zorn. 20 Denn des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott
recht ist. 21 Darum legt ab alle Unsauberkeit und alle Bosheit und nehmt das Wort an mit Sanftmut, das in euch gepflanzt ist
und Kraft hat, eure Seelen selig zu machen.
22 Seid aber Täter
des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst. 23 Denn wenn
jemand ein Hörer des Worts ist und nicht ein Täter, der gleicht einem Mann, der
sein leibliches Angesicht im Spiegel beschaut; 24 denn nachdem er sich beschaut
hat, geht er davon und vergisst von Stund an, wie er
aussah. 25 Wer aber durchschaut in das vollkommene Gesetz der Freiheit und
dabei beharrt und ist nicht ein vergesslicher Hörer, sondern ein Täter, der
wird selig sein in seiner Tat.
26 Wenn jemand meint, er diene Gott, und hält seine Zunge nicht im Zaum, sondern betrügt sein Herz, so ist sein Gottesdienst nichtig. 27 Ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott, dem Vater, ist der: die Waisen und Witwen in ihrer Trübsal besuchen und sich selbst von der Welt unbefleckt halten.
War bisher eher allgemein von Versuchungen die Rede, wird es nun konkret.
(19-21) Als Erstes weist Jakobus seine Leser darauf hin, dass sie gut zuhören sollen – anstatt schnell aufzubrausen. Ein zorniger Mensch tut nicht, was vor Gott recht ist (wörtlich: „… eines Mannes Zorn wirkt nicht Gottes Gerechtigkeit“, EB). Deshalb sollen sie den Zorn und auch alle Unsauberkeit und Bosheit ablegen und stattdessen ganz sanftmütig (vgl. 3,13) das rettende Wort annehmen, das Gott in sie hinein gelegt hat.
(22) Allerdings kommt es nicht allein auf das Hören, sondern vor allem auf das Tun an (vgl. Mt.7,21; Röm.2,13). (23f.) Wer nicht nach dem Wort handelt, dem bleibt vom Gehörten so viel wie dem, der einen flüchtigen Blick in den Spiegel wirft, von seinem Spiegelbild – er vergisst es bereits nach kurzer Zeit. (25) Selig zu preisen ist der, der nicht nur einen kurzen Blick in das „vollkommene Gesetz der Freiheit“ tut, sondern sich anhaltend mit ihm auseinandersetzt – und es anschließend nicht vergisst, sondern danach lebt.
Was meint Jakobus mit dem „vollkommenen Gesetz der Freiheit“? Der Begriff „vollkommen“ betont, dass das Gesetz alles enthält, was Gottes Wille ist (vgl. 2,10: „das ganze Gesetz …“). Die Beziehung von Gesetz und Freiheit (vgl. 2,12) sieht Jakobus darin, dass das Gesetz die Freiheit bringt (vgl. Philo: „Die mit dem Gesetz leben, sind frei.“). Paulus hat demgegenüber die Freiheit von der Knechtschaft des Gesetzes betont (z. B. Gal.5,1).
(26f.) Abschließend macht Jakobus deutlich, woran er bei seiner Aufforderung zur Tat vor allem denkt. Wer seine Zunge nicht im Griff hat (vgl. 3,1ff.), sondern sich selbst etwas vormacht, dessen „Gottesdienst“ ist vergeblich. Der Begriff steht für Religion bzw. Religionsausübung im allgemeinen und meint nicht speziell gottesdienstliche Veranstaltungen. Im NT findet er sich nur noch in Apostelgeschichte 26,5: „… nach der strengsten Sekte unserer Religion …“, EB) und in Kolosser 2,18 („… Verehrung der Engel …“).
Gefordert ist ein „reiner und unbefleckter Gottesdienst“. Die Begriffe „rein“ und „unbefleckt“ entstammen der Sprache des Tempelkults und beschreiben die Voraussetzung, um sich Gott nähern zu können. (ThWNT, IV, 650). Hier aber haben sie eine ethische Bedeutung. Es geht um eine religiöses Verhalten, dass sich der Bedürftigen annimmt und die notwendige Distanz zur übrigen Gesellschaft bewahrt (vgl. 4,4).
Zusammenfassung: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ (Erich Kästner) Für Jakobus bedeutet dies: Die Zunge im Zaum halten, den Bedürftigen helfen und sich nicht der Welt anpassen. |