7         Epilog (21,1-25)

 

20,30-31 war das Schlusswort des Johannesevangeliums; Kapitel ist 21 ein späterer Nachtrag.

 

Das ergibt sich zunächst aus dem Text selbst. In 21,24 wird bezeichnet den Lieblingsjünger als Verfasser des Evangeliums benannt – woraus gleichzeitig folgt, dass der Nachtrag, in dem von ihm die Rede ist, nicht von ihm stammt.

 

Außerdem gibt es einige Spannungen zwischen Kapitel 21 und dem vorangehenden Bericht:

·         Nach den Worten „selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (20,29) wirkt der Bericht über eine weitere Erscheinung Jesu deplatziert.

·         Die Rückkehr der Jünger in ihren alten Beruf befremdet nach der Aussendung der Jünger (20,21).

·         Dass die Jünger Jesus nicht erkennen, wirkt angesichts vorheriger Begegnungen seltsam.

 

Außerdem unterscheidet sich das Anliegen dieses Kapitels von dem der Kapitel 1-20: „Während das ganze Evangelium darauf ausgerichtet ist, die Identität Jesu zu klären, und daher von Anfang bis Ende von der Frage der Christologie bestimmt wird (vgl. 20,31!), verschwindet diese Ausrichtung in Kap 21: Nun geht es um ekklesiologische Probleme, und zwar speziell um die Klärung, welche Rolle Petrus in der nachösterlichen Gemeinschaft einnimmt – und welche Rolle dem Lieblingsjünger zukommt …  Jetzt geht es … darum, kirchliche Bereiche zu definieren und deren Autorität zu legitimieren.“ (Zumstein, 774f.).

 

In welchem Verhältnis stehen der Epilog und die Kapitel 1-20? Dazu folgende Beobachtungen:

·         Der Epilog setzt die Kapitel 1-20 voraussetzt bzw. bezieht sich auf sie.

·         Im Epilog finden sich einige auch dort genutzte Stilmittel (z.B. Nummerierung: 21,14 – 2,11; 4,54; Kommentare des Erzählers: 21,19 – 12,33; 18,32).

·         Das Schlusswort des Epilogs ähnelt dem der Kapitel 20 (20,30).

„Als Ergebnis ist festzuhalten, dass der Respekt vor dem Evangelium als einem abgeschlossenen Werk und der häufige Gebrauch der Stilmittel der Imitation und des Rückverweises auf die Existenz einer Schule schließen lassen. Die Gruppe, die in Kapitel 21 am Werk ist, befindet sich nicht in Distanz zum Evangelium, ihre Haltung ist vielmehr von Respekt und Einverständnis geprägt.“ (Zumstein, 776).

 

„Welchen Sinn hat nun dieser Epilog, der sich zwar explizit von der Erzählung unterscheidet, sich aber doch mit ihr verzahnt“ (Zumstein, 777). Ein Epilog hat üblicherweise die Funktion, „eine (stabile) Situation kurz zu schildern, die zeitlich nach dem eigentlichen Schluss liegt und aus ihm folgt“ (Genette, zit. in Zumstein, 777). Kapitel 21 bringt dementsprechend die Funktion und die Zukunft der in den Kapiteln 1-20 festgeschriebenen Erzählung für eine neue Situation zur Sprache. Die in Kap. 21 vorausgesetzte Situation ist Folge der im Evangelium dargestellten Vorgänge und führt ihrerseits zu deren Neubewertung.“ (Zumstein, 777).

 

Was heißt das konkret? „Während das Korpus des Evangeliums die Christologie zum Hauptthema hatte, so ist es in Kapitel 21 klar die Ekklesiologie. Der joh Jesus offenbart sich nicht mehr selbst, sondern er erklärt, welche Bedeutung die beiden Schlüsselfiguren, Petrus und der Lieblingsjünger, in der nachösterlichen Zeit haben; und zwar wird die Beziehung zwischen Petrus und dem Lieblingsjünger in ein neues Gleichgewicht gebracht: Sowohl der Anführer der Zwölf, der im Korpus des Evangeliums nicht unbedingt vorteilhaft gezeichnet wurde, als auch der Lieblingsjünger werden in der ihnen von nun an zukommenden Rolle im Dienst der ganzen Kirche positiv dargestellt. Petrus wird in seine Funktion als universaler Hirt und heldenhafter Märtyrer eingesetzt und der Lieblingsjünger wird zum Verfasser des Zeugnisses, des vierten Evangeliums, das den Gläubigen insgesamt zur spirituellen Nahrung dienen soll.“ (Z, 777)

 

Der Epilog verfolgt also ein doppeltes Ziel: „Einerseits eröffnet die Anerkennung der kirchlichen Funktion des Petrus den joh Gläubigen den Weg in die universale Kirche. Andererseits wird der ganzen Kirche das Evangelium des Lieblingsjüngers als Schrift vorgelegt: Kapitel 21 bestätigt in der Tat den Anspruch des vierten Evangeliums, von der ‚Großkirche‘ als Schrift anerkannt zu werden.“ (Zumstein, 777)

 

 

 

7.1    Die Erscheinung Jesu am See von Tiberias (21,1-14)

 

(1) Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See von Tiberias. Er offenbarte sich aber so: (2) Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. (3) Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sprechen zu ihm: Wir kommen mit dir. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts. (4) Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. (5) Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. (6) Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische. (7) Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte: "Es ist der Herr", da gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich in den See. (8) Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen. (9) Als sie nun an Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer am Boden und Fisch darauf und Brot. (10) Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! (11) Simon Petrus stieg herauf und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht. (12) Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten: Es ist der Herr. (13) Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch den Fisch. (14) Das ist nun das dritte Mal, dass sich Jesus den Jüngern offenbarte, nachdem er von den Toten auferstanden war.

 

Zu diesem Abschnitt gibt es Parallelen innerhalb des Lukasevangeliums – zum Bericht vom Fischzug des Petrus (Lk 5,1-11) und von der Begegnung der Emmausjünger mit Jesus (Lk  24,13-35).

 

Lk .5,1-11: „(1) Es begab sich aber, als sich die Menge zu ihm drängte, zu hören das Wort Gottes, da stand er am See Genezareth. (2) Und er sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. (3) Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus. (4) Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! (5) Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen. (6) Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen. (7) Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und ihnen ziehen helfen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken. (8) Da Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch. (9) Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die mit ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten, (10) ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen. (11) Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.“

 

Hier sind folgende Parallelen erkennbar:

·         Die Szene ereignet sich am See Genezareth (vgl. 20,1).

·         Die Jünger haben während der Nacht nichts gefangen (vgl. 20,3)

·         Nach erfolgloser Nachtarbeit erhalten die Jünger einen Hinweis von Jesus, was sie tun sollen (vgl. 20,6).

·         Die Jünger machen einen großen Fang – mit der Gefahr, dass die Netze reißen (vgl. 20,6.11).

 

Lk 24,13-35: „(13) Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa sechzig Stadien entfernt; dessen Name ist Emmaus. (14) Und sie redeten miteinander von allen diesen Geschichten. (15) Und es geschah, als sie so redeten und einander fragten, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen. (16) Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht erkannten. (17) Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs? Da blieben sie traurig stehen. (18) Und der eine, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du der Einzige unter den Fremden in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist? (19) Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm: Das mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Tat und Wort vor Gott und allem Volk; (20) wie ihn unsre Hohenpriester und Oberen zur Todesstrafe überantwortet und gekreuzigt haben.

(21) Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde. Und über das alles ist heute der dritte Tag, dass dies geschehen ist.

(22) Auch haben uns erschreckt einige Frauen aus unserer Mitte, die sind früh bei dem Grab gewesen, (23) haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Erscheinung von Engeln gesehen, die sagen, er lebe. (24) Und einige von denen, die mit uns waren, gingen hin zum Grab und fanden's so, wie die Frauen sagten; aber ihn sahen sie nicht. (25) Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben! (26) Musste nicht der Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen? (27) Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in allen Schriften von ihm gesagt war. (28) Und sie kamen nahe an das Dorf, wo sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weitergehen. (29) Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben. (30) Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen. (31) Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. (32) Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete? (33) Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten zurück nach Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren; (34) die sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und dem Simon erschienen. (35) Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie er von ihnen erkannt wurde, da er das Brot brach.“

 

Hier sind folgende Parallelen erkennbar:

·         Jesus wird erst nicht erkannt (vgl. 20,4).

·         Jesus wird erkannt im Zusammenhang mit einem Mahl (vgl. 20,12).

·         Jesus nimmt das Brot und gibt es ihnen (vgl. 20,13).

 

Innerhalb dieses Abschnitts sind zwei „Sinnlinien“ erkennbar:

·         Das Schicksal und die nachösterliche Funktion des Petrus und des Lieblingsjüngers.

·         Die Erscheinung des Auferstandenen, die ihren Höhepunkt im gemeinsamen Mahl findet

„Aufgabe der Interpretation ist es nun, die gleichzeitige Entwicklung und den Zusammenhang dieser beiden Sinnlinien zur Sprache zu bringen. Dabei ist deutlich, dass es in beiden Fällen um die Gestaltung des Lebens der nachösterlichen Gemeinde geht.“ (Zumstein, 780).

 

(1-3) Mit den Worten „danach“  und „abermals“ schließt der Epilog an die Erscheinungen des Auferstandenen an, die in Kapitel 20 berichtet wurden. Neu ist die Wortwahl. War bisher einfach vom „Kommen“ Jesu die Rede (20,19.24.26), spricht der Verfasser der Epilogs von einer Offenbarung (φανερόω, vgl. 2,11; 3,21; 7,4; 9,3; 17,6; 21,14).

 

Diese Offenbarung findet „am See von Tiberias“, also dem See Genezareth in Galiläa statt. Das entspricht den Berichten des Markus- und Matthäusevangeliums (Mk 16,7; Mt  28,16-20). Innerhalb des Johannesevangeliums wird dieser See nur im Zusammenhang mit der Speisung der Fünftausend und der anschließenden Brotrede die Rede (6,1.16-19.22.25).

 

Zunächst wird aufgezählt, welche Jünger dort „beieinander“ sind. Neben Petrus werden auch Thomas (vgl. 11,16; 14,5; 20,24-29) und Nathanael (vgl. 1, 47-51) namentlich genannt – vielleicht, weil sie am Ende bzw. Anfang des Johannesevangeliums erwähnt werden (bei Nathanael ist ein Bezug zu 1,50-51 denkbar: „(50) Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, dass ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres sehen als das. (51) Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn.“). Außerdem sind „die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger“ anwesend, so dass es sich insgesamt um sieben Jünger handelt. „Darum kann auch die Siebenzahl, im semitischen Denken die Zahl der Fülle, einen symbolischen Wert haben: Diese Jüngerschar repräsentiert die künftige Gemeinde, die Kirche (vgl. auch die sieben Gemeinden in Apk 2-3).“ (Schnackenburg III, 420).

 

Unter der Leitung von Simon Petrus gehen die Jünger während der Nacht fischen, fangen aber nichts.

 

(4-6) Gegen Morgen steht Jesus am Ufer des Sees. Aber die Jünger wissen nicht, dass er es ist (vgl. 20,14: „Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist.“). Jesus fragt sie, ob sie „nichts zu essen“ haben. Nachdem diese ihm erklärt haben, dass sie keine Lebensmittel bei sich haben, fordert er sie auf, das „Netz … zur Rechten des Bootes“ auszuwerfen (die rechte Seite ist die positive Seite; vgl. Ps 110,1; Mk 16,5; Lk 1,11; Mt 25,33) und verspricht ihnen, dass sie dort fündig werden. Die Jünger folgen seiner Anweisung und fangen so viele Fische, dass sie das Netz nicht mehr ziehen können.

 

Dieser Wunderbericht weist folgende charakteristische Merkmale auf: „(a) Das Eingreifen des Wundertäters geschieht ungefragt und nicht als Reaktion auf eine Bitte; (b) das eigentliche Wunder wird nicht beschrieben. Es kann nur durch einen Rückschluss wahrgenommen werden; (c) die Demonstration der Wirklichkeit des Wunders ist daher von besonderer Bedeutung.“ (Zumstein, 782).

 

(7-8) Aufgrund dieses Wunders wendet sich der Lieblingsjünger Jesu (vgl. 13,23; 19,26; 20,2) an Petrus und erklärt ihm: „Es ist der Herr!“  „Wie in Joh 20,8 deutet der Lieblingsjünger die Situation zutreffend …“ (Schnelle, 399). Daraufhin gürtet Petrus sich – weil er nackt ist – das Obergewand um (vom Umgürten ist auch in 21,18-19 die Rede; möglicherweise handelt es sich auch um eine Anspielung an 1 Mos 3,7.10) und springt in den See. Das zeigt seinen Eifer.

 

Die anderen Jünger, die ca. 100 Meter entfernt vom Ufer sind, kommen mit dem Boot und ziehen das Netz mit den Fischen (wobei vermutlich gemeint ist, dass das Netz noch im flachen Wasser liegen bliebt, da erst in 21,10-11 davon die Rede ist, dass Petrus das Netz an Land zieht).

 

(9-14) Als die Jünger an Land kommen, brennt dort bereits ein „Kohlenfeuer“. Das erinnert an 18,18 („Es standen da aber die Knechte und Diener und hatten ein Kohlenfeuer gemacht, denn es war kalt, und sie wärmten sich. Aber auch Petrus stand bei ihnen und wärmte sich.“) und darf „eventuell so verstanden werden, dass dem Feuer des Verrats nun das Feuer der Gemeinschaft folgt“ (Zumstein, 783). Auf dem Kohlenfeuer befindet sich bereits Fisch; außerdem ist Brot vorhanden.

 

Jesus bittet die Jünger, von den Fischen zu bringen, die sie gefangen haben. Daraufhin zieht Petrus das Netz an Land. Bei dieser Notiz handelt es sich vermutlich um einen indirekten Hinweis auf das Wirken des Petrus als „Menschenfischer“ (Lk 5,10). Im Netz befinden sich 153 Fische.

 

Hat die Zahl 153 eine symbolische Bedeutung? Der Text sagt dazu nichts. Aber es sind u.a. folgende Deutungen vorgeschlagen worden:

·         allegorische Deutung: 153 als Zahl der Fülle und Vollkommenheit

·         ichthylogische [Ichtys = Fisch] Deutung: antike Zoologen sollen 153 Fischarten gezählt haben

·         Zahlensymbolik auf der Basis der Zahl 17: 153 ist die Summe der Zahlen von 1-17. Die Zahl 17 ist wiederum die Summe von 10 und 7, Zahlen, die für Fülle und Vollkommenheit stehen. Oder aber die Zahl 17 ergibt sich aus den 5 Gerstenbroten und den 12 Körben mit Brocken bei der Speisung der Fünftausend (Joh 6,13).

Die Zahl 153 wäre dann ein „Bild für die Gemeinde, deren Vollständigkeit und Vollkommenheit“ (Wengst, 580).

 

Obwohl sich „so viele“ Fische im Netz befinden, reißt es nicht. „Dass trotz der Menge der Fische das Netz nicht riss, wird die unzerreißbare Einheit der Kirche abbilden sollen …“ (Bultmann, 549).

 

Dann lädt Jesus die Jünger dazu ein, dass „Mahl“ zu halten. Die aber „schwanken in ihrer Haltung zwischen der Furcht, ihn zu befragen, und der Gewissheit, seine Identität erkannt zu haben“ (Zumstein, 784). Was ist gemeint, wenn gesagt wird, dass die Jünger es nicht wagen, ihm die Frage „wer bist du?“ zu stellen, weil sie wissen, dass es sich um Jesus handelt? Zunächst einfach folgendes: „Der Sinn der Frage ist, da sie ihn ja erkannt haben, offenbar der: ‚Bist du es wirklich?‘“ (Bultmann, 549). Zugleich ist „diese Spannung ist im Zusammenhang mit der nachösterlichen Identität Jesu zu sehen: Er ist derselbe und doch ein ganz anderer. Er ist jener, den die Jünger schon kennen, und doch hat er durch seine Erhöhung am Kreuz nun einen ganz anderen Status erreicht.“ (Zumstein, 784) „Es soll das eigentümliche Gefühl gezeichnet werden, das die Jünger angesichts des Auferstandenen befällt: er ist es, und er ist es doch nicht; er ist nicht der, den sie bis dahin gekannt hatten, und doch ist er es! Eine eigentümliche Scheidewand ist zwischen ihm und ihnen errichtet.“ (Bultmann, 549).

 

Aber das eigentümliche Gefühl der Jünger kann Jesus nicht davon abhalten, mit den Jüngern das Mahl zu halten. Er „nimmt das Brot und gibt‘s ihnen, desgleichen auch den Fisch“. Das erinnert natürlich an die Speisung der Fünftausend: „Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, so viel sie wollten.“ (6,11). „Die Gabe des Brotes des Lebens, die der joh Jesus durch die Brotvermehrung und die anschließende Offenbarungsrede (Joh 6) dargestellt hatte und in der sich das joh Heilsverständnis verdichtet, wird nach Ostern nun weitergeführt.“ (Zumstein, 784).

 

Der Bericht über die Erscheinung Jesu am See Tiberias wird mit einem kurzen Kommentar des Erzählers abgeschlossen: „Das ist nun das dritte Mal, dass sich Jesus den Jüngern offenbarte, nachdem er von den Toten auferstanden war.“ (das erste Mal: 20,19-23; das zweite Mal: 20,24-29).

 

 

Zusammenfassung zu 21,1-14:

„Die Erzählung hat eine entschieden ekklesiologische Ausrichtung. Sie hält fest, dass der Auferstandene dem irdischen Jesus als Geber von Brot und Wein definitive Geltung und somit Zukunft verleiht und legt die kirchlichen Vermittlungsinstanzen fest, die die Zukunft der Offenbarung garantieren: der Lieblingsjünger, Petrus und das Abendmahl.“ (Zumstein, 785).

 

 

 

7.2    Jesus, Petrus und der Lieblingsjünger (21,15-24)

 

(15) Da sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr, als mich diese lieb haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer! (16) Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! (17) Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! (18) Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hinwolltest; wenn du aber alt bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hinwillst. (19) Das sagte er aber, um anzuzeigen, mit welchem Tod er Gott preisen würde. Und als er das gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach! (20) Petrus aber wandte sich um und sah den Jünger folgen, den Jesus lieb hatte, der auch beim Abendessen an seiner Brust gelegen und gesagt hatte: Herr, wer ist's, der dich verrät? (21) Als Petrus diesen sah, spricht er zu Jesus: Herr, was wird aber mit diesem? (22) Jesus spricht zu ihm: Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach! (23) Da kam unter den Brüdern die Rede auf: Dieser Jünger stirbt nicht. Aber Jesus hatte nicht zu ihm gesagt: Er stirbt nicht, sondern: Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an? (24) Dies ist der Jünger, der das bezeugt und aufgeschrieben hat, und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist.

 

Durch die nachdrückliche Betonung der Person des Petrus hat der Abschnitt 21,1-14 bereits den jetzt folgenden Dialog zwischen dem Auferstandenen und Petrus vorbereitet. In ihm geht es um die nachösterliche Rolle des Petrus und des Lieblingsjüngers Jesu. „Es geht darum, wer sein Werk in Zukunft weiterführen soll. Auf pastoraler Ebene ist es Petrus, auf theologischer Ebene ist es der Lieblingsjünger.“ (Zumstein, 786).

 

 

Zunächst geht es um die Rolle und das Geschick des Petrus. In 20,6 war davon die Rede, dass er das leere Grab als erster betrat. Im Abschnitt 21,1-14 erscheint er als Anführer der Jünger (21,2f.), als jemand mit großen Eifer (21,7) und als der, der das Netz an Land zieht (21,11). In diesem Abschnitt ist „nicht mehr der Lieblingsjünger (…) der privilegierte Gesprächspartner des joh Jesus, sondern Petrus … Der Lieblingsjünger ist nun nicht mehr der intime Freund Jesu, der in dessen unmittelbarer Nähe weilt, sondern er folgt nun dem Paar Jesus/Petrus (vgl. V.20).“ (Zumstein, 787).

 

(15-17) Jesus beginnt den Dialog mit einer Frage: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr, als mich diese lieb haben?“ „Die ganze feierliche, das Gewissen des Petrus erforschende Szene bringt den wichtigen Gedanken zur Geltung – und das ist die eigentliche Pointe der Geschichte – , dass die Leitung der Gemeinde nur einem Mann anvertraut werden kann, der eine unerschütterliche und unwandelbare Liebe zu Jesus hat.“ (Schneider, 333).

 

Die Anrede „Simon, Sohn des Johannes“ erinnert an Berufung des Petrus, bei der bereits seine herausragende Bedeutung unterstrichen wurde: „Und er führte ihn zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels.“ (1,42).

 

Jesus zu lieben heißt vor allem, „seine … Identität zu erkennen und sich ihm als Gesandten des Vaters anvertrauen.“ (Zumstein, 787; vgl. 14,23: „Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“; 16,27: „denn er selbst, der Vater, hat euch lieb, weil ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin.“).

 

Warum fragt Jesus ihn, ob er ihn mehr liebt als die anderen Jünger? Vermutlich will Jesus ihn daran erinnern, das er vor der Passion Jesu behauptet hatte, zu Außerordentlichem bereit zu sein und sein Leben für ihn lassen zu wollen – und dann kläglich gescheitert ist (13,36-38: „(36) Spricht Simon Petrus zu ihm: Herr, wo gehst du hin? Jesus antwortete ihm: Wo ich hingehe, kannst du mir jetzt nicht folgen; aber du wirst mir später folgen. (37) Petrus spricht zu ihm: Herr, warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Ich will mein Leben für dich lassen. (38) Jesus antwortete ihm: Du willst dein Leben für mich lassen? Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal verleugnet hast.“). Vielleicht greift er auch seinen Eifer auf, dass sich bei seinem Sprung ins Wasser gezeigt hatte (21,7).

 

Petrus antwortet nur: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Er „antwortet nicht genau der Frage entsprechend; denn er sagt nicht, dass er Jesus mehr liebe als die Anderen, sondern er verzichtet … auf ein Urteil über die Anderen und beteuert nur, dass er Jesus liebt, wobei er ehrfurchtsvoll Jesus – als dem Allwissenden – das Wissen darum zuschiebt.“ (Bultmann, 551).

 

Daraufhin gibt Jesus ihm einen Auftrag: „Weide meine Lämmer!“  Die Wortwahl „verweist auf Leitungsverantwortung, auf Versorgung der Herde mit dem Lebensnotwendigen, auf Fürsorge und Schutz. Es geht um eine innerkirchliche Funktion …“ (Zumstein, 788). „Wenn Simon Petrus Jesu Schafe weiden soll, heißt das, dass dieser eine Schüler damit beauftragt wird, seine gesamte Gemeinde zu leiten.“ (Wengst, 582). Dabei übernimmt Petrus „die Funktion des joh Jesus, der sich selbst als der ‚gute Hirte‘ bezeichnet hat (10,11.14), und wird sein Nachfolger.“ (Zumstein, 788)

 

„Während unter dem Kreuz der Lieblingsjünger als Zeuge der Offenbarung zum Stellvertreter Jesu eingesetzt wurde (vgl. 19,26-27), gesteht der Epilog nun auf pastoraler Ebene Petrus dasselbe Privileg zu.“ (Zumstein, 788).

 

Nun wiederholt sich dieser Dialog drei Mal. Beim dritten Mal wird Petrus traurig, dass Jesus ihm so oft die gleiche Frage stellt. „Spätestens hier muss sich die Leser- und Hörerschaft an dessen dreimalige Verleugnung erinnert sein lassen …“ (Wengst, 584). Die dreimalige Frage Jesu und das dreifache Bekenntnis des Petrus lösen also die dreimalige Verleugnung Jesu durch Petrus auf (18,15-18.25-27; vgl. auch die Aussage in Lk 5,8: „Da Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.“).

 

Hier wird deutlich, dass Petrus seine gemeindeleitende Aufgabe „nicht aufgrund seines Verdienstes oder seiner Fähigkeiten anvertraut wird; ausdrücklich vertraut der joh Jesus die pastorale Verantwortung aus reiner Gnade dem Renegaten an, dem er vergeben und den er rehabilitiert hat. Die Möglichkeit dieser pastoralen Funktion ist somit allein in der Inititative Jesu begründet und bedingt.“ (Zumstein, 788)

 

Indirekt wird hier vermutlich auch etwas zum Verhältnis zwischen den Gemeinden, die sich auf Johannes berufen, und Petrus gesagt: „Die Verfasser von Kapitel 21 fordern die joh Gemeinden auf, die Autorität des Petrus anzuerkennen und sich der von ihm geführten Herde anzuschließen. Die Rezeptionsgeschichte zeigt, welche Auswirkungen die pastorale Vorrangstellung des Petrus für das lateinische Christentum und im Speziellen für das römische Papsttum hatte.“ (Zumstein, 788).

 

(18-19) An die Einsetzung in das höchste pastorale Amt schließt sich die Ansage seines Martyriums an. Die Bereitschaft dazu hatte Petrus bereits in 13,37 erklärt: „Petrus spricht zu ihm: Herr, warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Ich will mein Leben für dich lassen.“ Was er dort leichtfertig versprochen hatte und nicht einhalten konnte, wird ihm jetzt als sein Schicksal offenbart.

 

Jesus drückt es mit Hilfe eines Weisheitswortes aus: „Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hinwolltest; wenn du aber alt bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hinwillst.“ Gemeint ist: „Während es einem jungen Mann möglich ist, über sich selbst frei zu verfügen (man gürtet sich, bevor man sich auf den Weg machen will), wird dem Greis eine solche Freiheit verweigert.“ (Zumstein, 789).

 

Das Gürten bezieht sich konkret darauf, dass jemand sein Obergewandt zusammenbindet, um besser gehen zu können („… gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hinwolltest …“). Im übertragenen Sinn kann es aber auch meinen, dass jemand gefesselt wird („… und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hinwillst.“). Zur Fesselung passt auch die Aussage „du wirst deine Hände ausstrecken“. Dann wäre konkret gemeint, die Hände auszustrecken, um sich Fesseln anlegen zu lassen.

 

Der erklärende Kommentar des Verfassers zeigt, dass es hier um das Martyrium des Petrus geht. Daher muss das Weisheitswort so verstanden werden, „dass darin auch die Folterqualen angedeutet sind, wenn er gefesselt und in Gefangenschaft geführt werden wird, oder, noch ausdrücklicher, dass Petrus seine Hände am patibulum ausstrecken wird. Im letzteren Fall würde also auf die Kreuzigung des Apostels angespielt.“ (Z, 789)

 

Das Patibulum war ein gerades, quer über die Schulter gelegtes Stück Holz, an dem die Hände des Gefangenen festgebunden wurden“, das oft mit der Kreuzigung verbunden war. (Wengst, 584).

 

Der Kommentar des Verfassers betont, dass das Martyrium des Petrus zur Verherrlichung Gottes führen wird. Die Verherrlichung Gottes ist Aufgabe der Jünger (15,8: „Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger.“) und geht bis zum Martyrium.

 

Abschließend befiehlt Jesus dem Petrus: „Folge mir nach!“ „Dieser Ruf bedeutet einerseits, dass die pastorale Hirtenfunktion und das anstehende Martyrium für Petrus der Ort der Nachfolge sind und dass es Jesus selber ist, der durch seinen Befehl ihm diesen Weg vorgegeben hat. Doch muss diese Einladung andererseits auch im Zusammenhang mit der Ansage in 13,36-37 und deren nachösterliche Erfüllung gelesen werden: Am Morgen der Passion hatte der joh Jesus dem Petrus vorausgesagt, dass er ihm ‚jetzt‘ nicht werde folgen können, dass aber seine Stunde später kommen werde. Jetzt ist für den Apostel der Zeitpunkt gekommen, für seinen Meister sein Leben zu geben.“ (Zumstein, 789f.).

 

 

(20-24) Dann geht es um Rolle und Geschick des Lieblingsjüngers. Die Frage wird hier bezeichnenderweise von Petrus gestellt (anders noch in 13,23-24: „(23) Es war aber einer unter seinen Jüngern, der zu Tische lag an der Brust Jesu, den hatte Jesus lieb. (24) Dem winkte Simon Petrus, dass er fragen sollte, wer es wäre, von dem er redete.“).

 

„Die dahin führende Inszenierung ist subtil gestaltet und es lohnt sich, sie näher zu betrachten. Zunächst einmal handelt es sich um ein Gespräch zwischen Petrus und dem Auferstandenen, in dem das Schicksal des Lieblingsjüngers zum Thema gemacht wird; der Erste unter den Jüngern hat die Rolle des Vertrauten des joh Jesus eingenommen. In der Zeit der Passion kam diese Rolle dem Lieblingsjünger zu. Entsprechend dem Anliegen der Verfasser des Epilogs wird somit die entscheidende Bedeutung des Anführers der Apostel noch einmal herausgestellt. Doch geschieht dieser ‚petrinische Aufstieg‘ nicht auf Kosten des Lieblingsjüngers. Zum einen bemerkt Petrus, als er sich umwendet, dass der Lieblingsjünger sich in der Nachfolge Jesu befindet (…); die Nachfolge, in die Petrus während seines Gesprächs mit dem Auferstandenen zweimal gerufen wird (V.19.22), wird anscheinend vom Lieblingsjünger in die Tat umgesetzt! Zum anderen wird der Lieblingsjünger in hervorgehobener Weise eingeführt, indem sein einzigartiges Verhältnis zu Jesus in Erinnerung gerufen wird (vgl. 13,23!). Schließlich gilt es zu beachten, dass der joh Jesus im Evangelium gerade das Schicksal des Lieblingsjüngers zu seinem letzten Thema macht.“ (Zumstein, 790).

 

Jesus antwortet Petrus: „Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach!“ Das bedeutet zunächst, dass Petrus sich nicht über den Lieblingsjünger Gedanken machen, sondern einfach das tun soll, was Jesus ihm eben (20,19) schon aufgetragen hat: „Folge du mir nach!“  

 

Aber nichts destotrotz macht Jesus eine Aussage über das Schicksal des Lieblingsjüngers: „Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich komme …“ Das ist natürlich ein Hinweis auf die Parusie, die Wiederkunft Jesu, über die Jesus in 14,2-3 sagt: „(2) In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn's nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? (3) Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, auf dass auch ihr seid, wo ich bin.“  Die Aussage, dass „er bleibt“ kann dementsprechend so verstanden werden, dass der Lieblingsjünger bis zur Parusie nicht versterben wird. In einem erläuternden Kommentar weißt der Verfasser von Kapitel 21 darauf hin, dass dieses Verständnis „unter den Brüdern“, den Mitgliedern der Gemeinde (1 Joh 2,7.9.10.11.; 3,10.12.13.14.15.16.17; 4,20.21; 5,16; 3 Joh 3.5.10), weit verbreitet war. „Da kam unter den Brüdern die Rede auf: Dieser Jünger stirbt nicht.“

 

Gleichzeitig korrigiert er dieses Verständnis – vermutlich, weil der Lieblingsjünger inzwischen verstorben ist und sein Tod die Aussage aus V.22 zu wiederlegen scheint. Dabei argumentiert er zunächst mit dem genauen Wortlaut: „Aber Jesus hatte nicht zu ihm gesagt: Er stirbt nicht, sondern: Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an?“ Mit anderen Worten: „Der Auferstandene hat nicht behauptet, dass der Lieblingsjünger nicht sterben würde, sondern dass er selbst, Jesus, der Herr des Schicksals seines Jüngers sei, und er deshalb souverän über die Dauer und über das Wesen der Gegenwart seines Jüngers verfügen könne.“ (Zumstein, 791).

 

Darüber hinaus muss die Aussage, „dass er bleibt“, nicht zwangsläufig „als ‚am Leben bleiben‘ interpretiert“ werden, sondern kann „anders verstanden werden. Worin dieser Schüler ‚bleibt‘, wird deutlich: in dem von ihm geschriebenen Evangelium, für das er als Zeuge einsteht.“ (Wengst, 587). „Er sollte nicht als ein lebender Zeuge für Christus bis zur Parusie überleben, sondern er sollte durch das geschriebene Evangelium sich selbst zu dem bleibenden Gewährsmann der Überlieferung der Kirche und des Wortes Jesu, durch welches allein die Kirche existiert, machen.“ (Barret, 558; zit. in Wengst, 587). Darum geht es schließlich in Vers 24 – dass die Gemeinde das Evangelium des Lieblingsjüngers hat und er so „bleibt“. Das gilt unabhängig davon, ob er noch lebt oder bereits verstorben ist.

 

In diesem Sinne betont Vers 24, dass der Lieblingsjünger „das bezeugt und aufgeschrieben hat“ – also die Kapitel 1-20 verfasst hat. Wer spricht dort? Wer ist „wir“? „Man kann an den Schülerkreis des Lieblingsjüngers denken, an die Gemeinde, in der er tätig war (oder in der es noch in hohem Alter lebt), oder, was am wahrscheinlichsten ist, an die Herausgeber des Buches.“ (Schneider, 334). Sie wissen, „dass sein Zeugnis wahr ist“. Sie wollen „nicht nur feststellen, wer der Verfasser der joh Erzählung ist, sondern auch deren Authentizität garantieren.“ (Zumstein, 792).

 

Vers 24 „ist also mit dem Rätselwort des joh Jesus über das Schicksal des Lieblingsjüngers in Beziehung zu setzen. Nun ist der Jünger zwar gestorben (…), doch zieht dieser Tod die Glaubwürdigkeit der Aussage Jesu nicht in Zweifel, weil der Lieblingsjünger durch sein Zeugnis, das er schriftlich hinterlassen hat, unter den Gläubigen bis zur Parusie gegenwärtig bleibt (…). In der Schrift lebt er weiter bis zum Ende.“ (Zumstein, 792)

 

 

Zusammenfassung zu 21,15-24:

Petrus ist der Hirte der Gemeinde und wird dabei zum Märtyrer. Der Lieblingsjünger der Lehrer der Gemeinde.

 

 

 

 

7.3    Schlusswort (20,25)

 

(25) Es sind noch viele andere Dinge, die Jesus getan hat. Wenn aber eins nach dem andern aufgeschrieben werden sollte, so würde, meine ich, die Welt die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären.

 

Das Schlusswort des Epilogs ähnelt dem der Kapitel 1-20, das sich in 20,30-31 findet: „(30) Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. (31) Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr, weil ihr glaubt, das Leben habt in seinem Namen.“ „Inhaltlich wird das Motiv des unerschöpflichen Stoffes aufgenommen, doch wird das theologische Argument des Evangelisten jedoch mit keiner Silbe erwähnt.“ (Zumstein, 792f.).

 

Wer ist „ich“? Vermutlich eine leitende Person des „Wir“, von dem im Vers zuvor die Rede war bzw. der ihr „Schriftsteller“.