9          Berichte über das Wirken Jeremias, sein Schicksal und das der Übriggebliebenen (34,1-45,5)

 

9.1          Jeremais kündigt Zedekia den Untergang Jerusalems, seine Gefangennahme und ein Ehrenbegräbnis an (34,1-7)

 

Zum historischen Hintergrund vgl. Stationen zur Geschichte Israels 22-23.

 

1 Dies ist das Wort, das vom Herrn geschah zu Jeremia, als Nebukadnezar, der König von Babel, mit seinem ganzen Heer und allen Königreichen auf Erden, die unter seiner Gewalt waren, und allen Völkern Jerusalem und alle seine Städte belagerte. 2 So spricht der Herr, der Gott Israels: Geh hin und sprich mit Zedekia, dem König von Juda, und sage zu ihm: So spricht der Herr: Siehe, ich will diese Stadt in die Hände des Königs von Babel geben, und er soll sie mit Feuer verbrennen. 3 Und auch du sollst seiner Hand nicht entrinnen, sondern ergriffen und in seine Hand gegeben werden. Du wirst ihn mit eigenen Augen sehen und von Mund zu Mund mit ihm reden und nach Babel kommen. 4 Höre doch auf des Herrn Wort, Zedekia, du König von Juda! So spricht der Herr über dich: Du sollst nicht durchs Schwert sterben, 5 sondern du sollst im Frieden sterben. Und wie deinen Vätern, den früheren Königen, die vor dir gewesen sind, so wird man auch dir zu Ehren einen Brand anzünden und dich beklagen: »Ach, Herr; denn ich habe es geredet, spricht der Herr. 6 Und der Prophet Jeremia sagte alle diese Worte zu Zedekia, dem König von Juda, in Jerusalem, 7 als das Heer des Königs von Babel schon Jerusalem und alle Städte Judas belagerte, die übrig geblieben waren, nämlich Lachisch und Aseka; denn diese waren noch übrig geblieben von den festen Städten Judas.

 

Als Nebukadnezar Jerusalem und die umliegenden Städte belagert, wird Jeremia beauftragt, mit Zedekia zu sprechen und ihm zu erklären, dass Gott diese Stadt in die Hände des Königs von Babel geben wird. Der wird sie mit Feuer vernichten. Zedekia selbst wird persönlicher Gefangener Nebukadnezars und nach Babylon verschleppt werden. Er wird aber nicht umkommen, sondern in Frieden sterben und sogar ein ehrenvolles Begräbnis erhalten (Totenfeuer, vgl. 2.Chr.16,14; 21,19).

 

 

 

9.2          Zedekias Wortbruch an den freigelassenen Sklaven (34,8-22)

 

Zum historischen Hintergrund vgl. Stationen zur Geschichte Israels 22-24.

 

8 Dies ist das Wort, das vom Herrn geschah zu Jeremia, nachdem der König Zedekia einen Bund geschlossen hatte mit dem ganzen Volk zu Jerusalem, eine Freilassung auszurufen, 9 dass ein jeder seinen Sklaven und ein jeder seine Sklavin, die Hebräer und Hebräerinnen waren, freilassen sollte, sodass kein Judäer den andern als Sklaven hielte. 10 Da hatten alle Oberen und alles Volk gehorcht, die diesen Bund eingegangen waren, dass ein jeder seinen Sklaven und seine Sklavin freilassen und sie nicht mehr als Sklaven halten sollte, und hatten sie losgegeben. 11 Aber danach hatten sie die Sklaven und Sklavinnen wieder zurückgefordert, die sie freigegeben hatten, und sie gezwungen, dass sie wieder Sklaven und Sklavinnen sein mussten.


Die Begebenheit ereignet sich anlässlich der Belagerung durch die Babylonier und einem überraschenden (Teil)Abzug der Truppen (34,21). Während der Belagerung hatte König Zedekia mit dem ganzen Volk „einen Bund geschlossen“ und dabei – entsprechend dem Sklavenrecht des Gesetzes (5.Mos.15,12ff.) – die Freilassung aller Sklaven angeordnet. Diese Verpflichtung war vermutlich durch eine besondere Zeremonie besiegelt worden, bei der ein Tier zerteilt wurde und die beiden Vertragsparteien durch die beiden Tierhälften hindurchgingen – in dem Bewusstsein, dass derjenige, der den Vertrag bricht, das gleiche Schicksal erleiden soll, wie das zerteilte Tier.

Die Anordnung wurde umgesetzt, dann aber widerrufen und rückgängig gemacht. Sie kam vermutlich unter dem Druck der Verhältnisse zustande; nach dem (Teil)Abzug der Feinde wollte man davon nichts mehr wissen.

 

12 Da geschah des Herrn Wort zu Jeremia: 13 So spricht der Herr, der Gott Israels: Ich habe einen Bund geschlossen mit euren Vätern, als ich sie aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, führte und sprach: 14 Im siebenten Jahre soll ein jeder seinen Bruder, der ein Hebräer ist und sich ihm verkauft und sechs Jahre gedient hat, freilassen. Aber eure Väter gehorchten mir nicht und kehrten ihre Ohren mir nicht zu. 15 Ihr aber hattet euch nun bekehrt und getan, was mir wohlgefiel, dass ihr eine Freilassung ausrufen ließet, ein jeder für seinen Nächsten, und habt darüber einen Bund geschlossen vor mir in dem Hause, das nach meinem Namen genannt ist. 16 Jetzt aber seid ihr umgeschlagen und habt meinen Namen entheiligt! Ein jeder fordert seinen Sklaven und seine Sklavin zurück, die ihr freigelassen hattet, sodass sie gehen konnten, wohin sie wollten, und zwingt sie jetzt, dass sie wieder eure Sklaven und Sklavinnen sein müssen.

 

Daraufhin erinnert Gott sie an den Bund, den er beim Auszug aus der Sklaverei in Ägypten mit ihren Vätern geschlossen hat. Dazu gehörte auch die Freilassung der hebräischen Sklaven im siebten Jahr. Ihre Väter waren ungehorsam; sie aber hatten diese Weisung befolgt. Jetzt sind sie „umgeschlagen“ und haben Gott Namen „entheiligt“.

 

17 Darum spricht der Herr: Ihr gehorchtet mir nicht und rieft keine Freilassung aus, ein jeder für seinen Bruder und seinen Nächsten, – siehe, so rufe ich, spricht der Herr, über euch eine Freilassung aus für Schwert, für Pest, für Hunger und will euch zum Bild des Entsetzens machen für alle Königreiche auf Erden. 18 Und ich will die Leute, die meinen Bund übertreten und die Worte des Bundes nicht halten, den sie vor mir geschlossen haben, so zurichten wie das Kalb, das sie in zwei Stücke geteilt haben und zwischen dessen Stücken sie hindurchgegangen sind, 19 nämlich die Oberen von Juda und von Jerusalem, die Kämmerer, die Priester und das ganze Volk des Landes, alle, die zwischen den Stücken des Kalbes hindurchgegangen sind. 20 Und ich will sie geben in die Hand ihrer Feinde und derer, die ihnen nach dem Leben trachten, und ihre Leichname sollen den Vögeln unter dem Himmel und den Tieren auf dem Felde zum Fraße werden. 21 Auch Zedekia, den König von Juda, und seine Oberen will ich geben in die Hände ihrer Feinde und derer, die ihnen nach dem Leben trachten, und in die Hand des Heeres des Königs von Babel, das jetzt von euch abgezogen ist. 22 Denn siehe, ich will ihnen befehlen, spricht der Herr, und will sie wieder vor diese Stadt bringen. Sie sollen sie belagern und erobern und mit Feuer verbrennen. Und ich will die Städte Judas verwüsten, dass niemand mehr darin wohnen soll.

 

Weil sie nun doch keine Freilassung ausgerufen haben, ruft nun Gott eine Freilassung über das Volk aus - allerdings eine „Freilassung … für Schwert, für Pest, für Hunger“. Er wird sie „so zurichten wie das Kalb, das sie in zwei Stücke geteilt haben und zwischen dessen Stücken sie hindurchgegangen sind“. Gott will sie in die Hand ihrer Feinde geben; ihre Leichen sollen die Vögel unter dem Himmel und die Tieres des Feldes essen. Auch Zedekia wird in Feindeshand fallen. Gott will den Babylonieren befehlen, Jerusalem erneut zu belagern und zu zerstören.

 

 

 

9.3          Das Vorbild der Rechabiter (35,1-19)

 

Zum historischen Hintergrund vgl. Stationen zur Geschichte Israels 13-16.

 

1 Dies ist das Wort, das vom Herrn geschah zu Jeremia zur Zeit Jojakims, des Sohnes Josias, des Königs von Juda: 2 Geh hin zu den Rechabitern, rede mit ihnen und führe sie in des Herrn Haus, in eine der Hallen, und schenke ihnen Wein ein. 3 Da nahm ich Jaasanja, den Sohn Jirmejas, des Sohnes Habazzinjas, samt seinen Brüdern und allen seinen Söhnen, und das ganze Geschlecht der Rechabiter 4 und führte sie in des Herrn Haus, in die Halle der Söhne Hanans, des Sohnes Jigdaljas, des Mannes Gottes, die neben der Halle der Oberen ist, über der Halle Maasejas, des Sohnes Schallums, des Torhüters. 5 Und ich setzte den Männern vom Hause Rechab Krüge voll Wein und Schalen vor und sprach zu ihnen: Trinkt Wein! 6 Sie aber antworteten: Wir trinken keinen Wein; denn unser Vater Jonadab, der Sohn Rechabs, hat uns geboten: Ihr und eure Nachkommen sollt niemals Wein trinken 7 und kein Haus bauen, keinen Samen säen, keinen Weinberg pflanzen noch besitzen, sondern ihr sollt in Zelten wohnen euer Leben lang, auf dass ihr lange lebet in dem Lande, in dem ihr umherzieht. 8 Also gehorchen wir der Stimme unseres Vaters Jonadab, des Sohnes Rechabs, in allem, was er uns geboten hat, dass wir keinen Wein trinken unser Leben lang, weder wir noch unsere Frauen noch unsere Söhne und Töchter; 9 und wir bauen auch keine Häuser, darin zu wohnen, und haben weder Weinberge noch Äcker noch Samen, 10 sondern wir wohnen in Zelten und gehorchen und tun in allem, wie es unser Vater Jonadab geboten hat.11 Als aber Nebukadnezar, der König von Babel, gegen das Land heraufzog, sprachen wir: Kommt, lasst uns nach Jerusalem ziehen vor dem Heer der Chaldäer und der Aramäer! Und so sind wir in Jerusalem geblieben.

 

Jeremia wird von Gott beauftragt, die Rechabiter in eine der Tempelhallen einzuladen und ihnen dort Wein anzubieten.

Stifter der Rechabiter war Jonadab, der Sohn Rechabs. Er hatte zusammen mit König Jehu gegen die Verehrung Baals gekämpft (2.Kön.10,15f.), war also ein entschiedener Verehrer Jahwes. Sie verschmähten alle Gaben des Kulturlandes (feste Häuser, Ackerbau- und Weinbau) und lebten in Zelten. Deshalb lehnten sie auch den Weingenuss ab. Grund dafür war möglicherweise die Auffassung, dass die bäuerliche Lebensweise zwangsläufig zum Abfall von Jahwe und zur Hinwendung zum Fruchtbarkeitskult führt. Als Nekukadnezar und seine Armeen nahten, waren sie nach Jerusalem geflüchtet.

Die Rechabiter bleiben ihren Überzeugungen treu und trinken keinen Wein.

 

12 Da geschah des Herrn Wort zu Jeremia: 13 So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels: Geh hin und sprich zu den Männern von Juda und zu den Bürgern von Jerusalem: Wollt ihr euch denn nicht bessern und meinen Worten gehorchen?, spricht der Herr. 14 Die Worte Jonadabs, des Sohnes Rechabs, der seinen Nachkommen geboten hat, dass sie keinen Wein trinken sollen, werden gehalten und sie trinken keinen Wein bis auf diesen Tag; denn sie gehorchen ihres Vaters Gebot. Ich aber habe euch immer wieder predigen lassen, doch gehorchtet ihr mir nicht. 15 Ich habe auch immer wieder alle meine Knechte, die Propheten, zu euch gesandt und sagen lassen: Kehrt um, ein jeder von seinem bösen Wege, und bessert euer Tun und folgt nicht andern Göttern nach, ihnen zu dienen, so sollt ihr in dem Lande bleiben, das ich euch und euren Vätern gegeben habe. Aber ihr wolltet eure Ohren nicht zu mir kehren und mir nicht gehorchen. 16 Ja, die Nachkommen Jonadabs, des Sohnes Rechabs, haben ihres Vaters Gebot gehalten, das er ihnen geboten hat. Aber dies Volk gehorcht mir nicht! 17 Darum spricht der Herr, der Gott Zebaoth, der Gott Israels: Siehe, ich will über Juda und über alle Bürger Jerusalems kommen lassen all das Unheil, das ich gegen sie geredet habe, weil ich zu ihnen redete und sie nicht hören wollten, weil ich rief und sie mir nicht antworten wollten.

 

Daraufhin erhält Jeremia den eigentlichen Auftrag. Er soll die Männer in Juda und Jerusalem im Namen Gottes zum Gehorsam aufrufen und dabei auf das Vorbild der Rechabiter verweisen, die den Worten ihres Vaters gehorchen. Demgegenüber haben Juda und Jerusalem den Gehorsam gegenüber Gott verweigert und die Propheten, die sie dazu aufgerufen haben, ignoriert. Deshalb wird Gott über Juda und Jerusalem das Unheil kommen lassen, das er schon lange angekündigt hat.

 

18 Aber zu den Rechabitern sprach Jeremia: So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels: Weil ihr dem Gebot eures Vaters Jonadab gehorcht habt und alle seine Gebote gehalten und alles getan, was er euch geboten hat, 19 darum spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels: Es soll dem Jonadab, dem Sohn Rechabs, niemals an einem Manne fehlen, der vor mir steht.

 

Den Rechabitern aber erklärt Jeremia, dass ihr Gehorsam gegenüber den Geboten ihres Vaters Jonadab belohnt werden wird. Konkret wird ihnen von Gott verheißen: Es soll ihnen „niemals an einem Manne“ aus ihren Reihen fehlen, „der vor mir steht“. Die Wendung „der vor mir [Gott] steht“ wird für Priester (5.Mos.10,8), Könige (1.Kön.8,25) und Propheten (1.Kön17,1) gebraucht. Die Reachabiter sollen also für immer im Dienst Gottes stehen. Worin er konkret besteht, wird aber nicht gesagt. Vermutlich wird ihnen einfach verheißen, dass sie Gott auch künftig auf ihre besondere Weise dienen werden.

 

 

 

9.4          Die Schriftrolle des Baruch – Erstellung, Vernichtung und Neufassung (36,1-32) 

 

Zum historischen Hintergrund vgl. Stationen zur Geschichte Israels 13-15.

 

1 Im vierten Jahr Jojakims, des Sohnes Josias, des Königs von Juda, geschah dies Wort zu Jeremia vom Herrn: 2 Nimm eine Schriftrolle und schreibe darauf alle Worte, die ich zu dir geredet habe über Israel, über Juda und alle Völker von der Zeit an, da ich zu dir geredet habe, nämlich von der Zeit Josias an bis auf diesen Tag. 3 Vielleicht wird das Haus Juda, wenn sie hören von all dem Unheil, das ich ihnen zu tun gedenke, sich bekehren, ein jeder von seinem bösen Wege, damit ich ihnen ihre Schuld und Sünde vergeben kann. 4 Da rief Jeremia Baruch, den Sohn Nerijas. Und Baruch schrieb auf eine Schriftrolle alle Worte des Herrn, die er zu Jeremia geredet hatte, wie Jeremia sie ihm sagte.5 Und Jeremia gebot Baruch und sprach: Mir ist’s verwehrt, ich kann nicht in des Herrn Haus gehen. 6 Du aber geh hin und lies die Schriftrolle, auf die du des Herrn Worte, wie ich sie dir gesagt habe, geschrieben hast, dem Volk vor im Hause des Herrn am Fasttage, und du sollst sie auch lesen vor den Ohren aller Judäer, die aus ihren Städten hereinkommen. 7 Vielleicht werden sie sich mit Beten vor dem Herrn demütigen und sich bekehren, ein jeder von seinem bösen Wege; denn der Zorn und Grimm ist groß, den der Herr diesem Volk angedroht hat. 8 Und Baruch, der Sohn Nerijas, tat alles, wie ihm der Prophet Jeremia befohlen hatte, dass er die Worte des Herrn aus der Schriftrolle vorläse im Hause des Herrn.

 

Jeremia wird von Gott beauftragt, alle Worte, die er ihm gesagt hat, auf eine Schriftrolle zu schreiben. Ziel ist nicht etwa die Dokumentation für die Nachwelt. Vielmehr soll die Schriftrolle Gottes Wort zu Gehör bringen, weil Jeremia selbst nicht mehr öffentlich auftreten kann (20,1-6; 26,7-9).

Dementsprechend diktiert er alles seinem Sekretär Baruch und beauftragt ihn, die Schriftrolle im Tempel vorzulesen. Er hofft, dass dies zur Umkehr des Volkes führt und den Zorn, den Gott seinem Volk angedroht hat,  abwendet. Baruch führt diesen Auftrag treu aus.

 

9 Es begab sich aber im fünften Jahr Jojakims, des Sohnes Josias, des Königs von Juda, im neunten Monat, dass man ein Fasten ausrief vor dem Herrn für alles Volk zu Jerusalem und für alles Volk, das aus den Städten Judas nach Jerusalem kam. 10 Und Baruch las aus der Schriftrolle die Worte Jeremias vor im Hause des Herrn, in der Halle Gemarjas, des Sohnes Schafans, des Schreibers, im oberen Vorhof bei dem neuen Tor am Hause des Herrn, vor dem ganzen Volk. 11 Als nun Michaja, der Sohn Gemarjas, des Sohnes Schafans, alle Worte des Herrn gehört hatte aus der Schriftrolle, 12 ging er hinab in des Königs Haus in die Kanzlei. Und siehe, dort saßen alle Oberen: Elischama, der Schreiber, Delaja, der Sohn Schemajas, Elnatan, der Sohn Achbors, Gemarja, der Sohn Schafans, und Zidkija, der Sohn Hananjas, samt allen andern Oberen. 13 Und Michaja berichtete ihnen alle Worte, die er gehört hatte, als Baruch aus der Schriftrolle vor den Ohren des Volks vorlas. 14 Da sandten alle Oberen Jehudi, den Sohn Netanjas, des Sohnes Schelemjas, des Sohnes Kuschis, zu Baruch und ließen ihm sagen: Nimm die Schriftrolle, aus der du dem Volk vorgelesen hast, mit dir und komm! Und Baruch, der Sohn Nerijas, nahm die Schriftrolle mit sich und kam zu ihnen. 15 Und sie sprachen zu ihm: Setze dich und lies, dass wir’s hören! Und Baruch las vor ihren Ohren. 16 Und als sie alle die Worte hörten, entsetzten sie sich untereinander und sprachen zu Baruch: Wir müssen alle diese Worte dem König mitteilen. 17 Und sie fragten den Baruch: Sage uns, wie hast du alle diese Worte aufgeschrieben? 18 Baruch sprach zu ihnen: Jeremia hat mir alle diese Worte vorgesagt und ich schrieb sie mit Tinte auf die Schriftrolle.19 Da sprachen die Oberen zu Baruch: Geh hin und verbirg dich mit Jeremia, dass niemand wisse, wo ihr seid!

 

Ungefähr ein Jahr später wird ein offizielles Fasten „für alles Volk“ ausgerufen. Bei dieser Gelegenheit liest Baruch im Tempel aus der Schriftrolle vor. Dazu wählt er die „Halle Gemarjas, des Sohnes Schafans“ – vermutlich, weil diese Familie über Einfluss verfügte und gute Beziehungen zu Jeremia hatte (26,24; 29,3; 39,14).

Nachdem er die Worte der Schriftrolle gehört hat, begibt sich Michaja, der Sohn Gemarjas, in die Kanzlei im Hause des Königs und berichtet den „Oberen“ davon. Die lassen Baruch rufen, bitten ihn, aus der Schriftrolle vorzulesen, erkennen die Wichtigkeit dieser Worte und beschließen, den König darüber in Kenntnis zu setzen. Vorher erkundigen sie sich noch nach der Entstehung der Schriftrolle. Nachdem sie erfahren, dass Jeremia alles seinem Sekretär diktiert hat, raten sie beiden, sich sicherheitshalber zu verstecken.

 

20 Sie aber gingen hinein zum König in den Vorhof und ließen die Schriftrolle verwahren in der Halle Elischamas, des Schreibers, und teilten dem König alle diese Worte mit. 21 Da sandte der König den Jehudi, die Schriftrolle zu holen. Der nahm sie aus der Halle Elischamas, des Schreibers. Und Jehudi las dem König vor und allen Oberen, die bei dem König standen. 22 Der König aber saß im Winterhause vor dem Kohlenbecken; denn es war im neunten Monat. 23 Wenn aber Jehudi drei oder vier Spalten gelesen hatte, schnitt er sie ab mit einem Schreibmesser und warf sie ins Feuer, das im Kohlenbecken war, bis die Schriftrolle ganz verbrannt war im Feuer. 24 Und niemand entsetzte sich und zerriss seine Kleider, weder der König noch seine Großen, die doch alle diese Worte gehört hatten. 25 Und obwohl Elnatan, Delaja und Gemarja den König baten, er möge die Schriftrolle nicht verbrennen, hörte er nicht auf sie. 26 Dazu gebot der König Jerachmeel, dem Königssohn, und Seraja, dem Sohn Asriëls, und Schelemja, dem Sohn Abdeels, sie sollten Baruch, den Schreiber, und Jeremia, den Propheten, ergreifen. Aber der Herr hatte sie verborgen.

 

Die „Oberen“ aber begeben sich zum König und informieren ihn über die Worte der Schriftrolle. Die Schriftrolle selbst deponieren sie vorher beim Schreiber.

Der König beauftragt einen Beamten mit Namen Jehudi, die Schriftrolle zu holen. Er liest sie dem König vor, der dabei vor einem Kohlenbecken sitzt. Sobald Jehudi drei oder vier Spalten gelesen hat, schneidet er sie von der Schriftrolle ab und wirft sie in Feuer.

Die Zeugen dieses Vorgangs zeigen keine Reaktion. Nur diejenigen, die dafür gesorgt haben, dass der König diese Worte hört, bitten ihn, die Verbrennung der Schriftrolle zu stoppen – aber ohne Erfolg. Außerdem befiehlt der König die Verhaftung Baruchs und Jeremias. Das aber gelingt nicht, weil Gott sie verborgen hatte.  

 

27 Nachdem der König die Schriftrolle verbrannt hatte, auf die Baruch die Worte geschrieben hatte, wie Jeremia sie ihm sagte, geschah des Herrn Wort zu Jeremia: 28 Nimm dir eine neue Schriftrolle und schreibe auf sie alle vorigen Worte, die auf der ersten Schriftrolle standen, die Jojakim, der König von Juda, verbrannt hat. 29 Über Jojakim aber, den König von Juda, sollst du sagen: So spricht der Herr: Du hast diese Schriftrolle verbrannt und gesagt: Warum hast du darauf geschrieben, dass der König von Babel kommen und dies Land verderben werde, sodass weder Menschen noch Vieh mehr darin sein werden? 30 Darum spricht der Herr über Jojakim, den König von Juda: Es soll keiner von den Seinen auf dem Thron Davids sitzen, und sein Leichnam soll hingeworfen liegen, am Tag in der Hitze und nachts im Frost. 31 Und ich will ihn und seine Nachkommen und seine Großen heimsuchen um ihrer Schuld willen, und ich will über sie und über die Bürger Jerusalems und über die in Juda kommen lassen all das Unheil, von dem ich zu ihnen geredet habe, und sie gehorchten doch nicht.

 

Nach diesem Vorfall erhält Jeremia den Auftrag, eine neue Schriftrolle zu nehmen und dort alles aufzuschreiben, was auf der ersten Schriftrolle stand.

Über Jojahim soll er im Auftrag Gottes sagen, dass er, der die Schriftrolle verbrannt und sich darüber geärgert hat, dass dort von der Zerstörung des Landes durch den König von Babel die Rede war, seine Strafe empfangen wird. Keiner seiner Nachkommen soll auf dem Thron Davids sitzen. Außerdem soll sein Leichnam kein Begräbnis erhalten (vgl. 22,18f.; in 2.Kön.24,6 ist davon jedoch nicht die Rede). Gott wird ihn, seine Nachkommen und seine leitenden Beamten für ihre Schuld bestrafen und über alle Bürger Jerusalems und Judas das Unheil kommen lassen, dass er ihnen angedroht hat – und dass sie dennoch nicht zum Gehorsam gegenüber Gott bewogen hat.

 

32 Da nahm Jeremia eine andere Schriftrolle und gab sie Baruch, dem Sohn Nerijas, dem Schreiber. Der schrieb darauf, so wie ihm Jeremia vorsagte, alle Worte, die auf der Schriftrolle gestanden hatten, die Jojakim, der König von Juda, im Feuer hatte verbrennen lassen; und es wurden zu ihnen noch viele ähnliche Worte hinzugetan.

 

Die neue Schriftrolle wird auf die gleiche Weise  erstellt wie die erste. Ihr werden „noch viele ähnliche Worte hinzugetan“. Diese Schriftrolle war vermutlich der Grundstock des Buches Jeremia.

 

 

 

9.5          Jeremia und Zedekia in der Zeit bis zum Untergang (37,1-38,28)

 

Zum historischen Hintergrund vgl. Stationen zur Geschichte Israels 19-24.

 

9.5.1           Jeremia warnt Zedekia davor, auf die Ägypter zu hoffen (37,1-10)

 

1 Und Zedekia, der Sohn Josias, wurde König anstatt Konjas, des Sohnes Jojakims; denn Nebukadnezar, der König von Babel, machte ihn zum König im Lande Juda. 2 Aber er und seine Großen und das Volk des Landes gehorchten nicht den Worten des Herrn, die er durch den Propheten Jeremia redete. 3 Dennoch sandte der König Zedekia Juchal, den Sohn Schelemjas, und den Priester Zefanja, den Sohn Maasejas, zum Propheten Jeremia und ließ ihm sagen: Bitte den Herrn, unsern Gott, für uns!4 Denn Jeremia ging noch unter dem Volk aus und ein und man hatte ihn noch nicht ins Gefängnis geworfen.

 

Als Nebukadnezar 597 v. Chr. zum ersten Mal Jerusalem einnimmt, setzt er Konja (Jojachin) ab und macht Zedekia zum König im Lande Juda. Auch Zedekia gehorcht nicht den Worten, die Gott durch Jeremia redet. Aber er lässt Jeremia durch Boten ausrichten, dass er bei Gott Fürbitte einlegen soll. Zu diesem Zeitpunkt ist Jeremia noch ein freier Mann.

 

5 Es war aber das Heer des Pharao aus Ägypten aufgebrochen, und als die Chaldäer, die vor Jerusalem lagen, davon hörten, waren sie von Jerusalem abgezogen. 6 Und des Herrn Wort geschah zum Propheten Jeremia: 7 So spricht der Herr, der Gott Israels: Sagt dem König von Juda, der euch zu mir gesandt hat, mich zu befragen: Siehe, das Heer des Pharao, das euch zu Hilfe ausgezogen ist, wird wieder heim nach Ägypten ziehen, 8 und die Chaldäer werden wiederkommen und diese Stadt belagern und sie erobern und mit Feuer verbrennen. 9 Darum spricht der Herr: Betrügt euch nicht damit, dass ihr denkt: »Die Chaldäer werden von uns abziehen Sie werden nicht abziehen. 10 Und wenn ihr auch das ganze Heer der Chaldäer schlüget, die gegen euch kämpfen, und es blieben von ihnen nur etliche Verwundete übrig, so würde doch ein jeder in seinem Zelt aufstehen und diese Stadt mit Feuer verbrennen.

 

Als Nebukadnezar 588 erneut Jerusalem belagert, setzen Zedekia und seine Leute ihre Hoffnung auf die Ägypter. Tatsächlich macht sich das Heer des Pharao auf, um den Truppen der Babylonier entgegenzuziehen. Daraufhin beendeten bzw. lockerten die Babylonier die Belagerung Jerusalems.

In dieser Situation empfängt Jeremia eine Offenbarung von Gott. Er soll Zedekia mitteilen, dass der Pharao wieder nach Ägypten zurückkehren wird und die Babylonier ihre Belagerung Jerusalems fortsetzen und die Stadt erobern werden. Deshalb soll sich Zedekia keine falschen Hoffnungen auf einen Abzug Nebukadnezars machen. Der Untergang Jerusalems ist beschlossene Sache. Selbst wenn sie die Babylonier besiegen und von dessen großen Heer nur Verwundete übrigen bleiben würden, so würden diese Verwundeten aus ihren Zelten aufstehen und Jerusalem mit Feuer verbrennen.

 

 

9.5.2            Jeremia wird gefangengenommen und in eine Zisterne eingesperrt (37,11-16)

 

11 Als nun der Chaldäer Heer von Jerusalem abgezogen war vor dem Heere des Pharao, 12 wollte Jeremia aus Jerusalem herausgehen ins Land Benjamin, um mit seinen Verwandten ein Erbe zu teilen. 13 Und als er zum Benjamintor kam, war dort ein Wachhabender mit Namen Jirija, der Sohn Schelemjas, des Sohnes Hananjas; der hielt den Propheten Jeremia an und sprach: Du willst zu den Chaldäern überlaufen. 14 Jeremia sprach: Das ist nicht wahr, ich will nicht zu den Chaldäern überlaufen. Aber Jirija wollte ihn nicht hören, sondern ergriff Jeremia und brachte ihn zu den Oberen. 15 Und die Oberen wurden zornig über Jeremia und ließen ihn schlagen und warfen ihn ins Gefängnis im Hause Jonatans, des Schreibers; denn das hatten sie zum Kerker gemacht. 16 So kam Jeremia in den überwölbten Raum einer Zisterne und blieb dort lange Zeit.

 

Als das babylonische Herr aufgrund der heranrückenden ägyptischen Armee abgezogen ist, will Jeremia seine Verwandten außerhalb Jerusalems besuchen, um eine Erbschaftsangelegenheit zu klären. Der Wachhabende am Benjamintor unterstellt ihm jedoch, zu den Babyloniern überlaufen zu wollen. Obwohl Jeremia das bestreitet, wird er ergriffen und zu „den Oberen gebracht“. Die lassen ihn schlagen und ins Gefängnis, eine ehemalige Zisterne, werfen. Dort bleibt Jeremia „lange Zeit“.

 

 

9.5.3           Zedekia befragt heimlich den Propheten und Jeremia kommt in den Wachthof (37,17-21)

 

17 Aber Zedekia, der König, sandte hin und ließ ihn holen und fragte ihn heimlich in seinem Haus und sprach: Ist wohl ein Wort vom Herrn vorhanden? Jeremia sprach: Ja! Du wirst dem König von Babel in die Hände gegeben werden.

 

König Zedekia aber lässt Jeremia heimlich zu sich holen und fragt ihn, ob er „ein Wort vom Herrn“ hat. Jeremia bejaht. Das „Wort vom Herrn“, das er zu sagen hat, entspricht aber nicht den Erwartungen Zedekias. Stattdessen kündigt er an: „Du wirst dem König von Babel in die Hände gegeben werden.“

 

18 Und Jeremia sprach zum König Zedekia: Was hab ich gegen dich, gegen deine Großen und gegen dies Volk gesündigt, dass sie mich in den Kerker geworfen haben? 19 Wo sind nun eure Propheten, die euch weissagten und sprachen: Der König von Babel wird nicht über euch noch über dies Land kommen? 20 Und nun, mein Herr und König, höre mich und lass meine Bitte vor dir gelten! Lass mich nicht wieder in Jonatans, des Schreibers, Haus bringen, dass ich dort nicht sterbe.21 Da befahl der König Zedekia, dass man Jeremia im Wachthof behalten sollte, und ließ ihm täglich aus der Bäckergasse einen Laib Brot geben, bis alles Brot in der Stadt aufgezehrt war. So blieb Jeremia im Wachthof.

 

Im weiteren Verlauf des Gesprächs geht es um die Behandlung Jeremias. Er fragt, wo er denn gegen die leitenden Beamten des Königs oder das Volk gesündigt und eine solche Bestrafung verdient habe. Außerdem fragt er nach den falschen Propheten und bringt damit indirekt zum Ausdruck, dass sie – und nicht er – eine Bestrafung verdient haben. Schließlich bittet er den König, nicht wieder im Haus Jonatans (bzw. in der Zisterne, 37,15) eingesperrt zu werden. Daraufhin befiehlt Zedekia, dass Jeremia im Wachthof bleiben soll und sorgt dafür, dass er zu essen bekommt, bis infolge der Belagerung kein Brot mehr da ist.

 

 

9.5.4           Jeremia bleibt nicht stumm, wird wieder in die Zisterne eingesperrt – und daraus befreit (38,1-13)

 

1 Es hörten aber Schefatja, der Sohn Mattans, und Gedalja, der Sohn Paschhurs, und Juchal, der Sohn Schelemjas, und Paschhur, der Sohn Malkijas, die Worte, die Jeremia zu allem Volk redete. 2 So spricht der Herr: Wer in dieser Stadt bleibt, der wird durch Schwert, Hunger und Pest sterben müssen; wer aber hinausgeht zu den Chaldäern, der soll am Leben bleiben und wird sein Leben wie eine Beute davonbringen. 3 Denn so spricht der Herr: Diese Stadt soll übergeben werden dem Heer des Königs von Babel und es soll sie einnehmen. 4 Da sprachen die Oberen zum König: Lass doch diesen Mann töten; denn auf diese Weise nimmt er den Kriegsleuten, die noch übrig sind in dieser Stadt, den Mut, desgleichen dem ganzen Volk, weil er solche Worte zu ihnen sagt. Denn der Mann sucht nicht, was diesem Volk zum Heil, sondern was zum Unheil dient. 5 Der König Zedekia sprach: Siehe, er ist in euren Händen; denn der König vermag nichts wider euch. 6 Da nahmen sie Jeremia und warfen ihn in die Zisterne Malkijas, des Königssohnes, die im Wachthof war, und ließen ihn an Seilen hinab. In der Zisterne aber war kein Wasser, sondern Schlamm und Jeremia sank in den Schlamm.

 

Leitende Beamte des Königs erfahren, dass Jeremia, während er im Wachthof ist, den Leuten empfiehlt, zu den Babyloniern zu gehen und sich ihnen zu ergeben. Wer in Jerusalem bleibe, werde sterben; wer zu den Babyloniern gehe, werde wenigstens sein Leben retten. Daraufhin fordern sie vom König die Hinrichtung Jeremias wegen „Wehrkraftzersetzung“. Zedekia willigt ein – erklärt aber resigniert, dass er sowieso nichts gegen seine leitenden Beamten ausrichten kann. Die werfen Jeremia wieder in eine Zisterne, diesmal in eine, die sich im Bereich des Wachthofs befindet und voller Schlamm und ohne Wasser ist.

 

7 Als aber Ebed-Melech, der Mohr, ein Kämmerer in des Königs Haus, hörte, dass man Jeremia in die Zisterne geworfen hatte, und der König gerade im Benjamintor saß, 8 da ging Ebed-Melech aus des Königs Haus und redete mit dem König und sprach: 9 Mein Herr und König, diese Männer handeln übel an dem Propheten Jeremia, dass sie ihn in die Zisterne geworfen haben; dort muss er vor Hunger sterben; denn es ist kein Brot mehr in der Stadt. 10 Da befahl der König Ebed-Melech, dem Mohren: Nimm von hier drei Männer mit dir und zieh den Propheten Jeremia aus der Zisterne, ehe er stirbt. 11 Und Ebed-Melech nahm die Männer mit sich und ging in des Königs Haus in die Kleiderkammer und nahm dort zerrissene, alte Lumpen und ließ sie an einem Seil hinab zu Jeremia in die Zisterne. 12 Und Ebed-Melech, der Mohr, sprach zu Jeremia: Lege diese zerrissenen, alten Lumpen unter deine Achseln um das Seil; und Jeremia tat es. 13 Und sie zogen Jeremia herauf aus der Zisterne an den Stricken. Und so blieb Jeremia im Wachthof.

 

Als ein Kämmerer aus Äthiopien davon erfährt, informiert er den König darüber, dass Jeremia in die Zisterne geworfen wurde und dort dem Tode geweiht ist. Daraufhin befiehlt ihm der König, Jeremia aus dieser Lage zu befreien. Auf diese Weise kommt Jeremia wieder in den Wachthof zurück.

 

 

9.5.6            Letztes Gespräch zwischen Zedekia und Jeremia (38,14-28)

 

14 Und der König Zedekia sandte hin und ließ den Propheten Jeremia zu sich holen unter den dritten Eingang am Hause des Herrn. Und der König sprach zu Jeremia: Ich will dich etwas fragen; verbirg mir nichts! 15 Jeremia sprach zu Zedekia: Sage ich dir etwas, so tötest du mich doch; gebe ich dir aber einen Rat, so gehorchst du mir nicht. 16 Da schwor der König Zedekia dem Jeremia heimlich und sprach: So wahr der Herr lebt, der uns dies Leben gegeben hat: Ich will dich nicht töten noch den Männern in die Hände geben, die dir nach dem Leben trachten. 17 Und Jeremia sprach zu Zedekia: So spricht der Herr, der Gott Zebaoth, der Gott Israels: Wirst du hinausgehen zu den Obersten des Königs von Babel, so sollst du am Leben bleiben und diese Stadt soll nicht verbrannt werden, sondern du und dein Haus sollen am Leben bleiben; 18 wirst du aber nicht hinausgehen zu den Obersten des Königs von Babel, so wird diese Stadt den Chaldäern in die Hände gegeben und sie werden sie mit Feuer verbrennen, und auch du wirst ihren Händen nicht entrinnen. 19 Der König Zedekia sprach zu Jeremia: Ich habe aber die Sorge, dass ich den Judäern, die zu den Chaldäern übergelaufen sind, übergeben werden könnte, dass sie mir übel mitspielen. 20 Jeremia sprach: Man wird dich nicht übergeben. Gehorche doch der Stimme des Herrn, die ich dir verkünde, so wird dir’s wohlgehen und du wirst am Leben bleiben. 21 Wirst du aber nicht hinausgehen, so ist dies das Wort, das mir der Herr gezeigt hat: 22 Siehe, alle Frauen, die noch vorhanden sind im Haus des Königs von Juda, werden zu den Obersten des Königs von Babel hinausmüssen und sie werden dann sagen: »Ach, deine guten Freunde haben dich überredet und in ihre Gewalt gebracht und in den Sumpf geführt und lassen dich nun stecken.« 23 Ja, alle deine Frauen und Kinder werden hinausmüssen zu den Chaldäern, und du selbst wirst ihren Händen nicht entgehen, sondern du wirst vom König von Babel ergriffen und diese Stadt wird mit Feuer verbrannt werden.

 

König Zedekia lässt ihn noch einmal zu sich holen und bittet ihn um eine offene und ehrliche Antwort auf seine Fragen. Jeremia aber befürchtet, dass der König ihn für seine offenen Worte töten oder sie einfach ignorieren wird und sagt ihm das auch. Daraufhin schwört Zedekia bei Gott, Jeremias Leben nicht anzutasten. Deshalb teilt Jeremia dem König ohne Umschweife mit, dass er und seine Familie überleben und Jerusalem nicht zerstört werden wird, wenn er sich in die Hände der Babylonier gibt. Wenn er das aber nicht tut, wird Jerusalem zerstört werden und auch er selbst wird nicht davonkommen.

 

Zedekia hat die Sorge, dass er in die Hand seiner innenpolitischen Gegner fallen wird, die offenbar aus Protest gegen seine Aufstandspläne ins babylonische Lager übergelaufen sind. Jeremia verheißt ihm, dass das nicht geschehen wird. Deshalb soll er der Stimme Gottes gehorchen und sich den Babyloniern ausliefern. Dann wird er am Leben bleiben. Wenn nicht, werden seine Frauen ein Klagelied darüber anstimmen, dass seine Freunde ihn überredet und in die Irre geführt haben – und ihn jetzt im Stich lassen. Außerdem müssen sich seine Frauen und Kinder den Babyloniern ergeben. Zedekia selbst wird ergriffen und Jerusalem verbrannt werden.

 

24 Und Zedekia sprach zu Jeremia: Sieh zu, dass niemand diese Worte erfahre, so wirst du nicht sterben. 25 Und wenn’s die Oberen erfahren sollten, dass ich mit dir geredet habe, und zu dir kommen und sprechen: »Sag an, was hast du mit dem König geredet; verbirg es uns nicht, so wollen wir dich nicht töten. Was hat der König mit dir geredet, 26 so sprich: Ich habe den König gebeten, dass er mich nicht wieder in Jonatans Haus führen lasse, ich müsste sonst dort sterben. 27 Da kamen alle Oberen zu Jeremia und fragten ihn und er antwortete ihnen, wie ihm der König befohlen hatte. Da ließen sie von ihm, weil sie nichts erfahren konnten.28 Und Jeremia blieb im Wachthof bis auf den Tag, da Jerusalem eingenommen wurde. Und es geschah, dass Jerusalem erobert wurde.

 

Abschließend fordert Zedekia, dieses Gespräch vertraulich zu behandeln und droht ihm für den Fall der Verletzung der Vertraulichkeit mit dem Tode. Wenn ihn seine leitenden Beamten ausfragen, soll Jeremia ihnen antworten, dass es im Gespräch darum ging, nicht wieder in Jonathans Haus bzw. dessen Zisterne (37,15f.) gebracht zu werden, weil er das nicht überleben würde.

Tatsächlich wird Jeremia von den leitenden Beamten des Königs befragt und antwortet so, wie der König es ihm befohlen hat. Daraufhin wird er in Ruhe gelassen. Bis zur Einnahme Jerusalems kann Jeremia im Wachthof bleiben.

 

 

 

9.6          Jerusalems Fall und das Schicksal der Überlebenden (39,1-45,5)

 

Zum historischen Hintergrund vgl. Stationen zur Geschichte Israels 19-24.

 

9.6.1           Der Fall Jerusalems und das Schicksal Zedekias (39,1-10)

 

1 Denn im neunten Jahr Zedekias, des Königs von Juda, im zehnten Monat kam Nebukadnezar, der König von Babel, und sein ganzes Heer vor Jerusalem und belagerten es. 2 Und im elften Jahr Zedekias, am neunten Tage des vierten Monats, brach man in die Stadt ein. 3 Und alle Obersten des Königs von Babel zogen hinein und hielten unter dem Mitteltor, nämlich Nergal-Sarezer, der Fürst von Sin-Magir, der Oberhofmeister, und Nebuschasban, der Oberkämmerer, und alle andern Obersten des Königs von Babel. 4 Als nun Zedekia, der König von Juda, und seine Kriegsleute das sahen, flohen sie bei Nacht zur Stadt hinaus auf dem Wege zu des Königs Garten durchs Tor zwischen den beiden Mauern und entwichen zum Jordantal hin. 5 Aber die Kriegsleute der Chaldäer jagten ihnen nach und holten Zedekia ein im Jordantal von Jericho und nahmen ihn gefangen und brachten ihn zu Nebukadnezar, dem König von Babel, nach Ribla, das im Lande Hamat liegt. Der sprach das Urteil über ihn. 6 Und der König von Babel ließ die Söhne Zedekias vor seinen Augen töten in Ribla und tötete auch alle Vornehmen Judas.7 Aber Zedekia ließ er die Augen ausstechen und ihn in Ketten legen, um ihn nach Babel zu führen. 8 Und die Chaldäer verbrannten das Haus des Königs und die Häuser der Bürger und rissen die Mauern Jerusalems nieder. 9 Was aber noch an Volk in der Stadt war und wer sonst zu ihnen übergelaufen war, die führte Nebusaradan, der Oberste der Leibwache, alle miteinander gefangen nach Babel. 10 Aber von dem niederen Volk, das nichts hatte, ließ zur selben Zeit Nebusaradan, der Oberste der Leibwache, etliche im Lande Juda zurück und gab ihnen Weinberge und Felder.

 

Nach anderthalbjähriger Belagerung brechen die babylonischen Truppen in die Stadt ein. Die Befehlshaber richten am Mitteltor ihr Hauptquartier ein (EB: „… ließen sich im Mitteltor nieder“).

Zedekia und seine Leute ergreifen die Flucht, werden aber gestellt und zu Nebukadnezar in dessen Hauptquartier gebracht, das sich in Syrien befindet. Der lässt die Söhne Zediakias und „alle Vornehmen Judas“ töten. Zedekia selbst lässt er die Augen ausstechen und in Ketten legen, um ihn nach Babylon zu führen.

Der Palast des Königs und die Häuser der Bürger Jerusalems gehen in Flammen auf; die Mauern Jerusalems werden geschleift. Der Großteil der Bevölkerung wird nach Babylon verschleppt. Lediglich ein Teil des „niederen Volks“ bleibt im Land Juda zurück und erhält von den Besatzern Weinberge und Felder zur Bearbeitung.

 

 

9.6.2           Die Befreiung Jeremias (39,11-14)

 

11 Aber Nebukadnezar, der König von Babel, hatte Nebusaradan, dem Obersten der Leibwache, Befehl gegeben wegen Jeremia und gesagt: 12 Nimm ihn und lass ihn dir befohlen sein und tu ihm kein Leid, sondern wie er’s von dir begehrt, so mach’s mit ihm. 13 Da sandten hin Nebusaradan, der Oberste der Leibwache, und Nebuschasban, der Oberkämmerer, Nergal-Sarezer, der Oberhofmeister, und alle Obersten des Königs von Babel 14 und ließen Jeremia aus dem Wachthof holen und übergaben ihn Gedalja, dem Sohn Ahikams, des Sohnes Schafans, dass er ihn nach Hause gehen ließe. Und so blieb er unter dem Volk.

 

Bezüglich Jeremia gibt Nebukadnezar dem Obersten seiner Leibwache, Nebusaradan, den Befehl, ihm nichts anzutun und so mit ihm zu verfahren, wie Jeremia selbst es wünscht. Möglicherweise hatte Nebukadnezar erfahren, welche Rolle Jeremia vor und während der Belagerung gespielt hat. Die leitenden Soldaten und Beamten Nebukadnezars setzen diesen Befehl um und übergeben ihn Gedalja, dem von Nebukadnezar eingesetzten Statthalter (40,9) und Enkel Schafans (2.Kön.22,3), damit der ihn nach Hause gehen lässt. Dadurch bleibt Jeremia unter dem Volk.

 

 

9.6.3           Das Schicksal Ebed-Melechs, des Mohren (39,15-18)

 

15 Es war auch des Herrn Wort geschehen zu Jeremia, als er noch im Wachthof lag: 16 Geh hin und sage Ebed-Melech, dem Mohren: So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels: Siehe, ich will meine Worte kommen lassen über diese Stadt zum Unheil und nicht zum Heil, und du sollst es sehen zur selben Zeit. 17 Aber dich will ich erretten zur selben Zeit, spricht der Herr, und du sollst den Leuten nicht ausgeliefert werden, vor denen du dich fürchtest.18 Denn ich will dich entkommen lassen, dass du nicht durchs Schwert fällst, sondern du sollst dein Leben wie eine Beute davonbringen, weil du mir vertraut hast, spricht der Herr.

 

Noch während Jeremia im Wachthof gefangen ist, wird er von Gott beauftragt, Ebed-Melech, der ihn aus der Zisterne befreit hatte (38,7-13), mitzuteilen, dass Jerusalem zwar untergehen, er aber errettet und nicht ausgeliefert werden wird – weil er Gott vertraut hat.

 

 

9.6.4           Jeremia bleibt unter dem Statthalter Gedalja in Juda (40,1-6)

 

1 Dies ist das Wort, das vom Herrn geschah zu Jeremia, als ihn Nebusaradan, der Oberste der Leibwache, losließ in Rama, wo er ihn gefunden hatte; denn er war auch, mit Fesseln gebunden, unter allen Gefangenen aus Jerusalem und Juda, die nach Babel weggeführt werden sollten. 2 Als nun der Oberste der Leibwache Jeremia hatte zu sich holen lassen, sprach er zu ihm: Der Herr, dein Gott, hat dies Unglück über diese Stätte vorhergesagt 3 und hat’s auch kommen lassen und getan, wie er geredet hat; denn ihr habt gesündigt wider den Herrn und seiner Stimme nicht gehorcht; darum ist euch solches widerfahren. 4 Und nun siehe, ich mache dich heute los von den Fesseln, mit denen deine Hände gebunden waren. Gefällt dir’s, mit mir nach Babel zu ziehen, so komm, du sollst mir befohlen sein. Gefällt dir’s aber nicht, mit mir nach Babel zu ziehen, so lass es sein. Siehe, du hast das ganze Land vor dir; wo dich’s gut dünkt und dir’s gefällt, da zieh hin. 5 Denn weiter hinaus wird kein Wiederkehren möglich sein. Darum magst du umkehren zu Gedalja, dem Sohne Ahikams, des Sohnes Schafans, den der König von Babel über die Städte in Juda gesetzt hat, und bei ihm bleiben unter dem Volk; oder geh, wohin dir’s gefällt. Und der Oberste der Leibwache gab ihm Wegzehrung und Geschenke und ließ ihn gehen. 6 So kam Jeremia zu Gedalja, dem Sohne Ahikams, nach Mizpa und blieb bei ihm unter dem Volk, das im Lande noch übrig geblieben war.

 

War in 39,11-14 davon die Rede, dass Jeremia von Nebusaradan aus dem Wachthof geholt und an Gedalja übergeben wurde, damit er nach Hause gehen kann, wird nun berichtet, dass er in Rama, einem neun Kilometer nördlich von Jerusalem gelegenen Ort, von dem aus offenbar die Gefangenen ihren Weg nach Babylon antreten müssen, frei kommt.

Dabei hält Nebusaradan, der Oberste der Leibwache Nebukadnezars, ihm eine Predigt. Er weist Jeremia darauf hin, dass Gott den Untergang Jerusalems angekündigt hat und es nun genauso geschehen ist, weil das Volk sich an Gott versündigt hat und ihm ungehorsam gewesen ist.

Anschließend entlässt er Jeremia in die Freiheit und stellt ihm zwei Möglichkeiten zur Auswahl. Er kann zusammen mit ihm, dem Obersten der Leibwache, und unter seinem Schutz nach Babylon ziehen. Oder er kann in Juda bleiben und sich dann entweder dort niederlassen, wo es ihm gefällt, oder bei Gedalja, dem Statthalter, und dem Volk bleiben. Jeremia entscheidet sich dafür, bei Gedalja, dessen Verwaltungssitz sich in Mizpa (13 Kilometer nördlich von Jerusalem) befindet, und dem Volk zu bleiben und erhält von Nebusaradan Abschiedsgeschenke und Proviant.

 

 

9.6.5           Gedalja und seine Ermordung (40,7-41,18)    

 

7 Als nun die Hauptleute, die noch im Lande verstreut waren, samt ihren Leuten erfuhren, dass der König von Babel Gedalja, den Sohn Ahikams, über das Land gesetzt hatte und über die Männer, Frauen und Kinder und über die Geringen im Lande, die nicht nach Babel weggeführt waren, 8 kamen sie zu Gedalja nach Mizpa, nämlich Jischmael, der Sohn Netanjas, Johanan und Jonatan, die Söhne Kareachs, und Seraja, der Sohn Tanhumets, und die Söhne Efais von Netofa und Jaasanja, der Sohn eines Maachatiters, samt ihren Leuten. 9 Und Gedalja, der Sohn Ahikams, des Sohnes Schafans, schwor ihnen und ihren Leuten einen Eid und sprach: Fürchtet euch nicht, den Chaldäern untertan zu sein; bleibt im Lande und seid dem König von Babel untertan, so wird’s euch wohlgehen. 10 Siehe, ich bleibe hier in Mizpa und habe die Verantwortung vor den Chaldäern, die zu uns kommen; ihr aber sollt Wein und Feigen und Öl ernten und in eure Gefäße tun und sollt in euren Städten wohnen, die ihr wieder in Besitz genommen habt.

 

Als die übriggebliebenen jüdischen Hauptleute erfahren, dass Gedalja als Statthalter eingesetzt worden ist, kommen sie mit ihren Leuten zu ihm nach Mizpa. Gedaljas „Programm“ besteht darin, den Babyloniern untertan zu sein. Dann wird es allen gut gehen. Er kümmert sich um die Beziehung zu den Babyloniern. Die Hauptleute und die zu ihnen gehören, sollen sich um die Ernte kümmern und wieder in ihren Städten wohnen.

 

11 Und als die Judäer, die im Lande Moab und Ammon und in Edom und in allen Ländern waren, hörten, dass der König von Babel einen Rest in Juda übrig gelassen und über sie Gedalja gesetzt hatte, den Sohn Ahikams, des Sohnes Schafans,12 da kamen auch sie alle zurück aus allen Orten, wohin sie verstreut waren, in das Land Juda zu Gedalja nach Mizpa und ernteten sehr viel Wein und Sommerfrüchte.

 

Auch die Juden aus den östlich und südlich gelegenen Ländern (Moab, Edom) begeben sich nach Mizpa und kümmern sich mit Erfolg um die Ernte.

 

13 Aber Johanan, der Sohn Kareachs, und alle Hauptleute, die im Lande verstreut gewesen waren, kamen zu Gedalja nach Mizpa 14 und sprachen zu ihm: Weißt du auch, dass Baalis, der König der Ammoniter, Jischmael, den Sohn Netanjas, gesandt hat, dass er dich erschlagen soll? Das wollte ihnen aber Gedalja, der Sohn Ahikams, nicht glauben.15 Da sprach Johanan, der Sohn Kareachs, zu Gedalja heimlich in Mizpa: Ich will hingehen und Jischmael, den Sohn Netanjas, erschlagen, dass es niemand erfahren soll. Warum soll er dich erschlagen, sodass alle Judäer, die bei dir versammelt sind, zerstreut werden und, die noch aus Juda übrig geblieben sind, umkommen?16 Aber Gedalja, der Sohn Ahikams, sprach zu Johanan, dem Sohn Kareachs: Du sollst das nicht tun; es ist nicht wahr, was du von Jischmael sagst.

 

Johanan, einer der Hauptleute, warnt Gedalja vor einem Mordanschlag Jischmaels, dessen Drahtzieher der König der Ammoniter ist. Gedalja schlägt die Warnung in den Wind. Auch als Johanan Gedalja anbietet, den vermeintlichen Attentäter heimlich zu erschlagen, weist er diesen Plan zurück, weil er die Attentatspläne für ein Gerücht hält.

 

1 Aber im siebenten Monat kam Jischmael, der Sohn Netanjas, des Sohnes Elischamas, aus königlichem Stamm, einer von den Obersten des Königs, und zehn Männer mit ihm zu Gedalja, dem Sohn Ahikams, nach Mizpa und sie aßen dort in Mizpa miteinander. 2 Und Jischmael, der Sohn Netanjas, erhob sich samt den zehn Männern, die bei ihm waren, und sie erschlugen Gedalja, den Sohn Ahikams, des Sohnes Schafans, mit dem Schwert, weil ihn der König von Babel über das Land gesetzt hatte. 3 Auch erschlug Jischmael alle Judäer, die bei Gedalja waren in Mizpa, und die Chaldäer, die dort waren, sämtliche Kriegsleute.

 

Tatsächlich aber begibt sich Jischmael mit zehn seiner Männer zu Gedelja nach Mizpa. Nach einem gemeinsamen Essen wird Gedelja von Jischmael und seinen Leuten ermordet – weil er Statthalter Babylons ist. Außerdem ermordet er alle Juden, die sich bei Gedalja aufhalten – und auch die sich dort befindlichen babylonischen Soldaten.

 

4 Am andern Tage, nachdem Gedalja erschlagen war und es noch niemand wusste, 5 kamen achtzig Männer von Sichem, von Silo und von Samaria und hatten die Bärte abgeschoren und ihre Kleider zerrissen und sich wund geritzt und trugen Speisopfer und Weihrauch mit, um es zum Hause des Herrn zu bringen. 6 Und Jischmael, der Sohn Netanjas, ging heraus von Mizpa ihnen entgegen, ging und weinte. Als er nun an sie herankam, sprach er zu ihnen: Ihr sollt zu Gedalja, dem Sohn Ahikams, kommen. 7 Als sie aber mitten in die Stadt kamen, ermordete sie Jischmael, der Sohn Netanjas, er und die Männer, die bei ihm waren, und warfen sie in die Zisterne.8 Aber es waren zehn Männer darunter, die sprachen zu Jischmael: Töte uns nicht; wir haben Vorrat im Acker verborgen liegen an Weizen, Gerste, Öl und Honig. Da ließ er ab und tötete sie nicht mit den andern.9 Die Zisterne aber, in die Jischmael die Leichname der Männer warf, die er erschlagen hatte samt dem Gedalja, ist die, welche der König Asa hatte anlegen lassen im Krieg gegen Bascha, den König von Israel. Die füllte Jischmael, der Sohn Netanjas, mit den Erschlagenen.

 

Nichtsahnend kommt am nächsten Tag in der Nähe ein aus 80 Männern bestehender Pilgerzug vorbei. Sie tragen Zeichen der Trauer und sind auf dem Weg zum (zerstörten) Tempel in Jerusalem, um Opfergaben zu bringen. Jischmael lockt sie unter falschem Vorwand nach Mizpa, um sie dort zu ermorden und ihre Leichen in die Zisterne zu werfen. Nur 10 Männer überleben, weil sie Jischmael mit Nahrungsmittelvorräten bestechen können.

 

10 Und Jischmael, der Sohn Netanjas, führte das Volk, das in Mizpa übrig geblieben war, gefangen weg: die Königstöchter samt allem Volk, über das Nebusaradan, der Oberste der Leibwache, Gedalja, den Sohn Ahikams, gesetzt hatte; und er zog hin und wollte hinüber zu den Ammonitern. 11 Als aber Johanan, der Sohn Kareachs, und alle Hauptleute des Heeres, die bei ihm waren, von all dem Bösen erfuhren, das Jischmael, der Sohn Netanjas, begangen hatte, 12 nahmen sie zu sich alle Männer und zogen hin, um mit Jischmael, dem Sohn Netanjas, zu kämpfen, und trafen ihn an dem großen Wasser bei Gibeon.13 Als nun alles Volk, das bei Jischmael war, den Johanan, den Sohn Kareachs, erblickte samt allen Hauptleuten des Heeres, die bei ihm waren, da wurde es froh. 14 Und das ganze Volk, das Jischmael von Mizpa weggeführt hatte, wandte sich um und ging zu Johanan, dem Sohn Kareachs, über. 15 Aber Jischmael, der Sohn Netanjas, entrann mit acht Männern dem Johanan und zog zu den Ammonitern.

 

Nach diesen Gewalttaten führt Jischmael die Übriggebliebenen als Gefangene weg. Ziel ist das Land der Ammoniter. Als Johanan und seine Leute davon erfahren, sammeln sie alle kriegsfähigen Männer, um mit Jischmael zu kämpfen. Bei Gibeon, wenige Kilometer südlich von Mizpa, treffen sie aufeinander. Die Gefangenen laufen zu Johannan über. Mit knapper Not entkommt Jischmael zusammen mit acht Männern und zieht zu den Ammonitern.

 

16 Und Johanan, der Sohn Kareachs, samt allen Hauptleuten des Heeres, die bei ihm waren, nahm zu sich das übrig gebliebene Volk, das Jischmael, der Sohn Netanjas, aus Mizpa weggeführt hatte, nachdem er Gedalja, den Sohn Ahikams, erschlagen hatte, nämlich die Kriegsleute, die Frauen und Kinder und Hofleute, die er von Gibeon zurückgebracht hatte. 17 Und sie zogen hin und kehrten ein in der Herberge Kimhams bei Bethlehem, um von dort nach Ägypten zu ziehen 18 aus Furcht vor den Chaldäern. Denn sie fürchteten sich vor ihnen, weil Jischmael, der Sohn Netanjas, Gedalja, den Sohn Ahikams, erschlagen hatte, den der König von Babel über das Land gesetzt hatte.

 

Johannan und seine Leute nehmen die von Jischmael Verschleppten zu sich. Gemeinsam ziehen sie nach Kinham bei Bethlehem. Von dort wollen sie – aus Angst vor den Babyloniern – nach Ägypten ziehen. Sie fürchten, dass ihnen der Mord an Gedalja, dem von Nebukadnezar eingesetzten Statthalter, angelastet wird und halten es offenbar für unmöglich, ihre Unschuld zu beweisen.

 


9.6.6           Jeremia soll Gott befragen – und warnt vor der Auswanderung nach Ägypten (42,1-22)

 

1 Da traten herzu alle Hauptleute des Heeres, Johanan, der Sohn Kareachs, Asarja, der Sohn Hoschajas, samt dem ganzen Volk, Klein und Groß, 2 und sprachen zum Propheten Jeremia: Lass doch unsere Bitte vor dir gelten und bete für uns zum Herrn, deinem Gott, für alle diese Übriggebliebenen – denn leider sind wir von vielen nur wenige übrig geblieben, wie du mit eigenen Augen siehst –, 3 dass der Herr, dein Gott, uns kundtun wolle, wohin wir ziehen und was wir tun sollen. 4 Und der Prophet Jeremia sprach zu ihnen: Wohlan, ich will gehorchen. Siehe, ich will zum Herrn, eurem Gott, beten, wie ihr gesagt habt, und alles, was euch der Herr antworten wird, das will ich euch kundtun und will euch nichts vorenthalten. 5 Und sie sprachen zu Jeremia: Der Herr sei ein zuverlässiger und wahrhaftiger Zeuge wider uns, wenn wir nicht alles tun werden, was uns der Herr, dein Gott, durch dich befehlen wird. 6 Es sei Gutes oder Böses, so wollen wir gehorchen der Stimme des Herrn, unseres Gottes, zu dem wir dich senden, auf dass es uns wohlgehe, wenn wir der Stimme des Herrn, unseres Gottes, gehorchen. 7 Und nach zehn Tagen geschah des Herrn Wort zu Jeremia. 8 Da rief er Johanan, den Sohn Kareachs, und alle Hauptleute des Heeres, die bei ihm waren, und alles Volk, Klein und Groß, 9 und sprach zu ihnen: So spricht der Herr, der Gott Israels, zu dem ihr mich gesandt habt, dass ich euer Gebet vor ihn bringen sollte: 10 Werdet ihr in diesem Lande bleiben, so will ich euch bauen und nicht einreißen; ich will euch pflanzen und nicht ausreißen; denn es hat mich gereut das Unheil, das ich euch angetan habe. 11 Ihr sollt euch nicht fürchten vor dem König von Babel, vor dem ihr euch fürchtet, spricht der Herr; ihr sollt euch vor ihm nicht fürchten, denn ich will bei euch sein, dass ich euch helfe und von seiner Hand errette. 12 Ich will euch Barmherzigkeit erweisen und mich über euch erbarmen und euch wieder auf eure Äcker bringen. 13 Werdet ihr aber sagen: »Wir wollen nicht in diesem Lande bleiben«, und so der Stimme des Herrn, eures Gottes, nicht gehorchen 14 und werdet ihr sagen: »Nein, wir wollen nach Ägyptenland ziehen, dass wir weder Krieg sehen noch den Schall der Posaune hören noch Hunger nach Brot leiden müssen; dort wollen wir bleiben« –, 15 nun, so höret des Herrn Wort, ihr Übriggebliebenen von Juda! So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels: Werdet ihr euer Angesicht nach Ägyptenland richten, um dorthin zu ziehen und dort zu wohnen, 16 so soll euch das Schwert, vor dem ihr euch fürchtet, in Ägyptenland treffen, und der Hunger, vor dem ihr euch sorgt, soll stets hinter euch her sein in Ägypten, und ihr sollt dort sterben. 17 Denn sie seien, wer sie wollen: Wer sein Angesicht nach Ägypten richtet, um dorthin zu ziehen und dort zu wohnen, der soll sterben durch Schwert, Hunger und Pest, und es soll keiner übrig bleiben noch dem Unheil entrinnen, das ich über sie kommen lassen will. 18 Denn so spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels: Gleichwie mein Zorn und Grimm über die Einwohner Jerusalems ausgeschüttet wurde, so soll er auch über euch ausgeschüttet werden, wenn ihr nach Ägypten zieht; und ihr sollt zum Fluch, zum Bild des Entsetzens, zur Verwünschung und zur Schande werden und diese Stätte nicht mehr sehen. 19 Das ist das Wort des Herrn an euch, die ihr übrig geblieben seid von Juda, dass ihr nicht nach Ägypten zieht. Darum erkennt, dass ich euch heute gewarnt habe; 20 denn ihr selbst habt euer Leben in Gefahr gebracht, weil ihr mich gesandt habt zum Herrn, eurem Gott, und gesagt: Bete zum Herrn, unserm Gott, für uns, und alles, was der Herr, unser Gott, sagen wird, tu uns kund, so wollen wir danach tun. 21 Das habe ich euch heute wissen lassen; aber ihr wollt der Stimme des Herrn, eures Gottes, nicht gehorchen noch allem, was er euch durch mich befohlen hat. 22 So sollt ihr denn wissen, dass ihr durch Schwert, Hunger und Pest sterben müsst an dem Ort, wohin ihr zu ziehen gedenkt, um dort zu wohnen.

 

Obwohl sie planen nach Ägypten zu ziehen, bitten Johanan und alle die bei ihm sind, Jeremia darum, Gott danach zu befragen, wohin sie ziehen sollen. Jeremia ist gern dazu bereit. Daraufhin schwören sie, alles zu tun, was Gott ihnen durch Jeremia offenbaren wird, damit es ihnen gut geht.

Nach zehn Tagen bekommt Jeremia eine Antwort von Gott. Er ruft alle zusammen und teilt ihnen mit, dass Gott sie „pflanzen und nicht ausreißen“ wird, wenn sie im Lande bleiben, weil ihn das Unheil gereut, das er seinem Volk angetan hat. Weil er ihnen helfen wird, sollen sie sich nicht vor dem König von Babel fürchten. Wenn sie sich jedoch dafür entscheiden sollten, nach Ägypten zu ziehen, wird sie dort Schwert und Hunger treffen. Dann wird Gott seinen Zorn über sie ausgießen – so wie er ihn über die Einwohner Jerusalems ausgeschüttet hat.

Abschließend stellt Jeremia fest, dass er das Volk gewarnt hat. Damit, dass sie ihn beauftragt haben, Gott zu befragen, und dabei Gehorsam versprochen haben, haben sie sich selbst in Gefahr gebracht. Weil sie nicht hören und nach Ägypten ziehen wollen, werden sie dort umkommen.

 

 

9.6.7           Jeremias Botschaft wird abgelehnt – und sie ziehen nach Ägypten (43,1-7)

 

1 Als Jeremia dem ganzen Volk alle Worte des Herrn, ihres Gottes, ausgerichtet hatte, wie ihm der Herr, ihr Gott, alle diese Worte an sie befohlen hatte, 2 sprachen Asarja, der Sohn Hoschajas, und Johanan, der Sohn Kareachs, und alle aufsässigen Männer zu Jeremia: Du lügst! Der Herr, unser Gott, hat dich nicht zu uns gesandt und gesagt: »Ihr sollt nicht nach Ägypten ziehen, um dort zu wohnen«, 3 sondern Baruch, der Sohn Nerijas, beredet dich zu unserm Schaden, damit wir den Chaldäern übergeben werden und sie uns töten oder nach Babel wegführen. 4 Da gehorchten Johanan, der Sohn Kareachs, und alle Hauptleute des Heeres samt dem ganzen Volk der Stimme des Herrn nicht, dass sie im Lande Juda geblieben wären, 5 sondern Johanan, der Sohn Kareachs, und alle Hauptleute des Heeres nahmen zu sich alle Übriggebliebenen von Juda, die von allen Völkern, wohin sie geflohen, zurückgekommen waren, um im Lande Juda zu wohnen, 6 nämlich Männer, Frauen und Kinder, dazu die Königstöchter und alle Übrigen, die Nebusaradan, der Oberste der Leibwache, bei Gedalja, dem Sohn Ahikams, des Sohnes Schafans, gelassen hatte, und auch den Propheten Jeremia und Baruch, den Sohn Nerijas. 7 Und sie zogen nach Ägyptenland, denn sie wollten der Stimme des Herrn nicht gehorchen, und kamen nach Tachpanhes.

 

Die Führer der Übriggebliebenen bezichtigen Jeremia der Lüge. Er habe nicht die Weisung Gottes verkündet, sondern auf Einflüsterungen Baruchs gehört und wolle, dass sie den Babyloniern ausgeliefert und nach Babylon geführt werden. Und so ziehen sie nach Ägypten – zunächst nach Tachpanhes an der ägyptischen Ostgrenze.

(„Der Zug setzt sich aus dem militärischen Gefolge der judäischen Heerführer, den von Ismael aus Mizpa Verschleppten und hernach wieder Befreiten sowie aus den aus dem Ausland zurückgekehrten Judäern zusammen, die sich inzwischen bei Johanan eingefunden hatten.“ BAT, 398)

 

 

9.6.8           Jeremia prophezeit den Einfall Nebukadnezars in Ägypten (43,8-13)

 

8 Aber des Herrn Wort geschah zu Jeremia in Tachpanhes:9 Nimm große Steine und vergrabe sie in dem Boden am Eingang des Hauses des Pharao in Tachpanhes, sodass die Männer aus Juda es sehen, 10 und sprich zu ihnen: So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels: Siehe, ich will hinsenden und meinen Knecht Nebukadnezar, den König von Babel, holen lassen und will seinen Thron oben auf diese Steine setzen, die ich eingraben ließ; und er soll seinen Thronhimmel darüber ausspannen. 11 Er soll kommen und Ägyptenland schlagen und töten, wen es trifft, gefangen führen, wen es trifft, mit dem Schwert erschlagen, wen es trifft. 12 Und ich will die Tempel Ägyptens in Brand stecken und niederbrennen und ihre Götter wegführen. Und er soll Ägyptenland lausen, wie ein Hirt sein Kleid laust, und mit Frieden von dannen ziehen. 13 Er soll die Steinmale von Bet-Schemesch in Ägyptenland zerbrechen und die Götzentempel in Ägypten mit Feuer verbrennen.

 

In Tachpanhes angekommen, wird Jeremia von Gott beauftragt, große Steine zu nehmen und sie am Eingang des „Hauses des Pharao“ – vermutlich handelt es sich nicht um einen Palast, sondern einfach um ein Regierungsgebäude – zu vergraben. Zur Erläuterung soll er den Führer der Übriggebliebenen sagen, dass Gott seinen Knecht Nebukadnezar holen wird und er seinen Thron auf diese Steine setzen wird. Nebukadnezar soll die Ägypter entweder töten oder als Gefangene wegführen, ihre Tempel in Brand stecken und ihre Götter wegführen. Er soll eine „Säuberungsaktion“ durchführen, wie sie bei einer Entlausung geschieht. Auch der berühmte Tempel des Sonnengottes Re in Bet-Schemesch (griechisch: Heliopolis = Sonnenstadt) soll zerstört werden.

 

 

9.6.9           Das Strafgericht über den Rest Judas in Ägypten aufgrund ihres Götzendienstes (44,1-30)

 

1 Dies ist das Wort, das zu Jeremia geschah an alle Judäer, die in Ägyptenland wohnten, nämlich in Migdol, Tachpanhes und Memfis, und die im Lande Patros wohnten. 2 So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels: Ihr habt gesehen all das Unheil, das ich habe kommen lassen über Jerusalem und über alle Städte in Juda; siehe, heutigentags sind sie wüst und niemand wohnt darin; 3 und das um ihrer Bosheit willen, die sie taten, als sie mich erzürnten und hingingen und opferten und dienten andern Göttern, die weder sie noch ihr noch eure Väter kannten. 4 Und ich sandte immer wieder zu euch alle meine Knechte, die Propheten, und ließ euch sagen: »Tut doch nicht solche Gräuel, die ich hasse 5 Aber sie gehorchten nicht und kehrten auch ihre Ohren nicht zu mir, dass sie sich von ihrer Bosheit bekehrt und andern Göttern nicht geopfert hätten. 6 Darum ergoss sich auch mein Zorn und Grimm und entbrannte über die Städte Judas und die Gassen Jerusalems, dass sie zur Wüste und Öde geworden sind, so wie es heute ist. 7 Nun, so spricht der Herr, der Gott Zebaoth, der Gott Israels: Warum tut ihr euch selbst ein so großes Unheil an, dass bei euch ausgerottet werden aus Juda Mann und Frau, Kind und Säugling und nichts von euch übrig bleibt, 8 und erzürnt mich so durch eurer Hände Werke und opfert andern Göttern in Ägyptenland, wohin ihr gezogen seid, um dort zu wohnen, auf dass ihr ausgerottet und zum Fluch und zur Schmach werdet unter allen Völkern auf Erden? 9 Habt ihr vergessen die Sünden eurer Väter, die Sünden der Könige von Juda, die Sünden ihrer Frauen, dazu eure eigenen Sünden und die Sünden eurer Frauen, die sie getan haben im Lande Juda und auf den Gassen Jerusalems? 10 Sie haben sich bis auf diesen Tag nicht gedemütigt, fürchten sich auch nicht und wandeln nicht in meinem Gesetz und in den Rechtsordnungen, die ich euch und euren Vätern gegeben habe. 11 Darum spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels: Siehe, ich will mein Angesicht wider euch richten zum Unheil, und ganz Juda soll ausgerottet werden. 12 Und ich will wegraffen, die übrig geblieben sind von Juda, die ihr Angesicht nach Ägyptenland gerichtet haben, um dorthin zu ziehen und dort zu wohnen; es soll ein Ende mit ihnen allen werden in Ägyptenland. Durchs Schwert sollen sie fallen und durch Hunger sollen sie umkommen, Klein und Groß; sie sollen durch Schwert und Hunger sterben und sollen zur Verwünschung, zum Entsetzen, zum Fluch und zur Schmach werden. 13 Ich will auch die Einwohner in Ägyptenland mit Schwert, Hunger und Pest heimsuchen, gleichwie ich an Jerusalem getan habe, 14 sodass von denen, die übrig geblieben sind von Juda und die hierher gekommen sind nach Ägyptenland, um hier zu wohnen, keiner entrinnen und entkommen soll. Sie sollen nicht mehr ins Land Juda zurückkehren, wohin sie gerne wiederkämen und wohnten, sondern es soll keiner dahin zurückkommen außer einigen Entronnenen.

 

In seinem letzten Wort, dass Gott durch Jeremia an die Judäer in Ägypten richtet, erinnert Gott an das Unheil, dass er aufgrund ihrer Bosheit und ihres Götzendienstes und ihrer Weigerung, auf die Propheten zu hören und umzukehren, über Juda und Jerusalem kommen ließ – und fragt sie, warum sie daraus nicht lernen, sondern auch für sich selbst ein solches Unheil heraufbeschwören, indem sie „anderen Göttern in Ägyptenland“ dienen.

Weil das so ist, wird Gott alle, „die übrig geblieben sind von Juda, die ihr Angesicht nach Ägyptenland gerichtet haben“ durch Schwert und Hunger hinwegraffen. Sie sollen auch nicht mehr ins Land Juda zurückkehren – „außer einigen Entronnenen“.

 

15 Da antworteten dem Jeremia alle Männer, die sehr wohl wussten, dass ihre Frauen andern Göttern opferten, und alle Frauen, die dabeistanden, eine große Menge, samt allem Volk, das in Ägyptenland und in Patros wohnte, und sprachen: 16 Den Worten, die du im Namen des Herrn uns sagst, wollen wir nicht gehorchen, 17 sondern wir wollen all die Worte halten, die aus unserm eigenen Munde gekommen sind, und wollen der Himmelskönigin opfern und ihr Trankopfer darbringen, wie wir und unsere Väter, unsere Könige und Oberen getan haben in den Städten Judas und auf den Gassen Jerusalems. Da hatten wir auch Brot genug und es ging uns gut, und wir sahen kein Unglück. 18 Seit der Zeit aber, da wir es unterlassen haben, der Himmelskönigin zu opfern und Trankopfer darzubringen, haben wir an allem Mangel gelitten und sind durch Schwert und Hunger umgekommen. 19 Und wenn wir Frauen der Himmelskönigin opfern und Trankopfer darbringen, das tun wir ja nicht ohne den Willen unserer Männer, wenn wir ihr Kuchen backen, um ein Bild von ihr zu machen, und ihr Trankopfer darbringen.

 

Die Angesprochenen entgegnen Jeremias, dass sie diesen Worten, die er im Namen Gottes gesprochen hat, nicht gehorchen wollen und sich stattdessen an die Worte halten wollen, die aus ihrem „eigenen Munde gekommen sind“ und der „Himmelskönigin opfern und ihr Trankopfer darbringen“.

Zur Begründung weisen sie darauf hin, dass es ihnen und ihren Vorfahren gut ging, solange sie das getan haben und es erst ab dem Zeitpunkt abwärts ging, als sie es unterlassen hatten, der Himmelskönigin zu opfern. Die Frauen, die von diesem Kult besonders angesprochen waren, betonen außerdem, dass sie das nicht ohne den Willen ihrer Männer tun.

 

20 Da sprach Jeremia zu dem ganzen Volk, den Männern und Frauen und allen Leuten, die ihm so geantwortet hatten:21 Nein, der Herr hat gedacht an das  Opfern, das ihr in den Städten Judas und auf den Gassen Jerusalems getrieben habt samt euren Vätern, Königen, Oberen und allem Volk des Landes, und er hat’s zu Herzen genommen, 22 dass er nicht mehr leiden konnte euren bösen Wandel und die Gräuel, die ihr tatet; daher ist auch euer Land zur Wüste, zum Entsetzen und zum Fluch geworden, dass niemand darin wohnt, so wie es heute ist. 23 Weil ihr der Himmelskönigin geopfert habt und wider den Herrn sündigtet und der Stimme des Herrn nicht gehorchtet und in seinem Gesetze, seinen Rechten und Mahnungen nicht gewandelt seid, darum ist euch solches Unheil widerfahren, so wie es heute ist.24 Und Jeremia sprach zu allem Volk und zu allen Frauen: Höret des Herrn Wort, ihr alle aus Juda, die in Ägyptenland sind! 25 So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels: Ihr und eure Frauen habt mit eurem Munde geredet und mit euren Händen vollbracht, was ihr sagt: »Wir wollen unsere Gelübde halten, die wir der Himmelskönigin gelobt haben, dass wir ihr opfern und Trankopfer darbringen Wohlan, erfüllt doch eure Gelübde und haltet eure Gelübde! 26 So höret nun des Herrn Wort, ihr alle aus Juda, die ihr in Ägyptenland wohnt: Siehe, ich schwöre bei meinem großen Namen, spricht der Herr, dass mein Name nicht mehr genannt werden soll durch irgendeines Menschen Mund aus Juda in ganz Ägyptenland, der da sagt: »So wahr Gott der Herr lebt!« 27 Siehe, ich will über sie wachen zum Unheil und nicht zum Heil, dass, wer aus Juda in Ägyptenland ist, durch Schwert und Hunger umkommen soll, bis es ein Ende mit ihnen hat. 28 Die aber dem Schwert entrinnen, werden aus Ägyptenland ins Land Juda zurückkommen als ein geringes Häuflein. So werden dann alle, die übrig geblieben sind von Juda und die nach Ägyptenland gezogen waren, dort zu wohnen, erkennen, wessen Wort wahr geworden ist, meines oder ihres.

 

Jeremia weißt diese Geschichtsdeutung zurück und betont, dass die Verehrung der Himmelskönigin Gottes Zorn über das Volk heraufbeschworen hat und somit die Ursache allen Übels war. Aber weil sie sich für die Himmelsgöttin entschieden haben, fordert er sie – vermutlich voller Ironie und Sarkasmus – auf, ihre Gelübde ihr gegenüber zu erfüllen. Gleichzeitig kündigt er den Untergang der nach Ägypten Entflohenen an. Gott hat sich geschworen, dass sein Name von ihnen nicht mehr genannt werden soll und sie durch Hunger und Schwert umkommen. Nur ein „geringes Häuflein“ wird entkommen und ins Land Juda zurückkehren – und dann erkennen, wer Recht hatte.

 

29 Und dies sei das Zeichen, spricht der Herr: Ich will euch an diesem Ort heimsuchen, damit ihr wisst, dass mein Wort wahr werden soll über euch zum Unheil. 30 So spricht der Herr: Siehe, ich will den Pharao Hofra, den König von Ägypten, übergeben in die Hände seiner Feinde und derer, die ihm nach dem Leben trachten, gleichwie ich Zedekia, den König von Juda, übergeben habe in die Hand Nebukadnezars, des Königs von Babel, seines Feindes, der ihm nach dem Leben trachtete.

 

Als Zeichen für das kommende Unheil kündigt er an, dass Pharao Hofra in die Hände seiner Feinde übergeben wird – so wie es mit Zedekia geschehen ist. Daran sollen sie erkennen, dass die Gerichtsankündigung wahr werden wird. Der griechische Geschichtsschreiber Herodot berichtet, dass Hophra nach einer militärischen Niederlage gestürzt und von seinen eigenen Leuten ermordet worden ist.

 

 

9.6.10         Ein Wort für Baruch (45,1-5)

 

Zum historischen Hintergrund vgl. Stationen zur Geschichte Israels 13-16.

 

1 Dies ist das Wort, das der Prophet Jeremia zu Baruch, dem Sohn Nerijas, redete, als er die Worte, wie Jeremia sie ihm sagte, auf eine Schriftrolle schrieb, im vierten Jahr Jojakims, des Sohnes Josias, des Königs von Juda: 2 So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels, über dich, Baruch: 3 Du sprichst: Weh mir, wie hat mir der Herr Jammer zu meinem Schmerz hinzugefügt! Ich seufze mich müde und finde keine Ruhe. 4 Sage ihm: So spricht der Herr: Siehe, was ich gebaut habe, das reiße ich ein, und was ich gepflanzt habe, das reiße ich aus, nämlich dies mein ganzes Land. 5 Und du begehrst für dich große Dinge? Begehre es nicht! Denn siehe, ich will Unheil kommen lassen über alles Fleisch, spricht der Herr, aber dein Leben sollst du wie eine Beute davonbringen, an welchen Ort du auch ziehst.

 

Als Baruch die Schriftrolle erstellt, empfängt Jeremia von Gott ein Wort für Baruch, der angesichts der Gerichtsdrohungen, die er niederschreiben muss, zutiefst leidet. Jeremia soll ihm mitteilen, dass das Gericht unabwendbar ist. Was Gott gebaut hat, zerstört er; was er gepflanzt hat, reißt er aus. Da müssen Baruchs persönliche Wünsche zurückstehen. Der einzige Trost: Er wird sein Leben „wie eine Beute davonbringen“.